Mi­chel Hou­el­le­becq: Un­ter­wer­fung

Michel Houellebecq: Unterwerfung
Mi­chel Hou­el­le­becq: Un­ter­wer­fung

Mi­chel Hou­el­le­becqs Ro­man »Unter­werfung« wur­de nicht zu­letzt we­gen der wenn auch län­ger zurück­liegenden kri­ti­schen, zum Teil durch­aus be­leidigenden Äu­ße­run­gen des Au­tors zum Is­lam arg­wöh­nisch un­ter­sucht. Die Ko­in­zi­denz zwi­schen der Erstver­öffentlichung und den schreck­li­chen Mor­den von Pa­ris liegt na­tür­lich au­ßer­halb des Ein­flus­ses des Au­tors. Was ei­ni­geR Hy­ste­ri­ker nicht da­von ab­hält, Hou­el­le­becq von nun an ei­ne Art Mit­ver­ant­wor­tung für das Ver­gan­ge­ne bzw. so­gar das Zu­künf­ti­ge zu­zu­wei­sen. Da­bei ist spä­te­stens seit Rush­dies »Sa­ta­ni­schen Ver­sen« klar, dass Ter­ro­ri­sten, Po­li­ti­ker und die mei­sten Me­di­en­ver­tre­ter bei al­len Dif­fe­ren­zen in ei­nem Punkt ei­ne Gemeinsam­keit ha­ben: Sie brau­chen das Werk bzw. die Re­ak­tio­nen dar­auf, die sie skandali­sieren und in­stru­men­ta­li­sie­ren nur als An­lass; ei­ne Lek­tü­re ist dann doch zu auf­wen­dig. Das hat in er­schüt­tern­der Wei­se die Dis­kus­si­on in Frank­reich ge­zeigt, in der Hou­el­le­becq die Ver­brei­tung rechts­extre­mer The­sen und so­gar Ras­sis­mus vor­ge­wor­fen wur­de.

Auch in Deutsch­land über­schlu­gen sich die Re­zen­sen­ten be­reits vor Er­schei­nen des Bu­ches mit ih­ren Ur­tei­len. Da­bei wur­de auch hier mit Akri­bie auf ei­ne po­ten­ti­el­le Is­lam­feind­lich­keit des Tex­tes bzw. des Au­tors ge­ach­tet, was aber­mals zeigt, dass das Feuil­le­ton zu­neh­mend die Rol­le des po­li­ti­schen An­stands­wau­waus wahr­neh­men möch­te, weil sich da­mit am mei­sten Di­stink­ti­on er­ar­bei­ten lässt. Noch selt­sa­mer als die­ser Ge­sin­nungs- und Re­zen­si­ons­wett­lauf mu­te­te die zu­wei­len auf­kom­men­de (ge­spiel­te?) Nai­vi­tät an, die fragt, war­um ei­gent­lich al­le jetzt plötz­lich ein li­te­ra­risch der­art mit­tel­mä­ssi­ges Buch be­spre­chen. Da­bei spielt es kei­ne Rol­le, dass das Ur­teil der li­te­ra­ri­schen Me­dio­kri­tät fast im­mer nur be­haup­tet wird; hand­fe­ste Be­le­ge feh­len zu­meist.

Ver­stopf­te Wasch­becken und Feh­ler in der Steu­er­erklä­rung

Der Plot des Ro­mans ist schnell er­zählt. Der Le­ser wird trans­for­miert in das Früh­jahr des Jah­res 2022. Fran­çois, ein mü­der fran­zö­si­scher Uni­ver­si­täts­pro­fes­sor an der Pa­ri­ser Sor­bon­ne, bald 44 Jah­re alt, der über Jo­r­is-Karl Huys­mans dis­ser­tiert hat­te, weiß nicht mehr so recht, was er tun soll: »Mein In­ter­es­se für das Gei­stes­le­ben war sehr ab­ge­flaut, mei­ne ge­sell­schaft­li­che Exi­stenz war nicht zu­frie­den­stel­len­der als mei­ne kör­per­li­che, die ei­ne wie die an­de­re war ei­ne Ab­fol­ge klei­ner Wid­rig­kei­ten – ein ver­stopf­tes Wasch­becken, ei­ne nicht funk­tio­nie­ren­de In­ter­net­ver­bin­dung, Straf­punk­te für schlech­tes Fah­ren, be­trü­ge­ri­sche Putz­frau­en, Feh­ler in der Steu­er­erklä­rung -, die mich oh­ne Un­ter­lass quäl­ten und nie zur Ru­he kom­men lie­ssen.« Sei­ne Lie­bes­af­fä­ren sind im Semester­rhythmus ge­tak­tet. Nur mit der halb so al­ten My­ri­am ver­bin­det ihn mehr.

Wei­ter­le­sen ...