Pressefreiheit und – vielfalt sind ein wesentlicher Kern unserer freiheitlich-demokratischer Grundordnung. Umso schöner ist es, das Funktionieren dieser Vielfalt in der Praxis zu beobachten. Da kandidiert der amtierende Umweltminister Norbert Röttgen für den Vorsitz der CDU in Nordrhein-Westfalen. Damit gibt es plötzlich zwei Kandidaten für diese Position, denn der ehemalige NRW-Integrationsminister Armin Laschet kandidiert ebenfalls für dieses Amt. Aus dem vollkommen normalen, demokratischen Vorgang, dass sich für ein Amt mehrere Kandidaten zur Wahl stellen, wird nun ein Skandalon produziert. Es herrscht, so wird suggeriert, »Streit« in der Partei. Die am meisten verwandte Vokabel ist nicht die der Kandidatur, sondern des »Machtkampfes«. Mehrere Kandidaten für ein Amt, die im demokratischen Verfahren gefunden werden, sind demnach keine Bereicherung, sondern werden mit leicht bellizistischen Vokabeln per se negativ konnotiert.
Basisdemokratie
Paul Ginsborg: Wie Demokratie leben

Hier Mill, Entwickler und Verfechter des politischen Liberalismus, der sanfte, eher »sozialdemokratisch« argumentierende Reformer – dort Marx, der schonungslose Beschreiber der Entfremdung des Menschen im Kapitalismus, der wilde Revolutionär, der es leider versäumt habe, seine »Diktatur des Proletariats« ausreichend zu definieren: Kapitel für Kapitel rekurriert Ginsborg immer wieder auf die Thesen dieser beiden Gelehrten und das anfängliche Interesse der Ausarbeitung der Differenzen weicht irgendwann einem Unmut, da ständig aufgezeigt wird, welche zwar für damalige Zeiten bahnbrechende Ideen beide entwickelten, diese jedoch aus heutiger Sicht grosse Schwächen aufweisen. Aber dass aus programmatischen Schriften von vor mehr als 150 Jahren vieles nicht mehr in unsere Gesellschaft »passt« und dem damaligen Zeitgeist geschuldet sein muss – ist das nicht eine allzu triviale Erkenntnis, um sie in dieser Ausführlichkeit auszubreiten?