
Das flüchtige Licht
Es beginnt als Beschwörung der unbeschwerten Kindheit in einer Stadt, die nur aus einer Straße bestand, überall offene Türen, nichts blieb geheim und die »Welt blieb Welt, die Stadt blieb Stadt und am Ende genügte es, die Straße vom einen Ende zum anderen zu gehen und alles zu wissen, was die Welt ausmachte«. Hier lebten sie, eine »verschworene Gemeinschaft, in der kein Platz war für Fremde, auch nicht für den Rotschopf Enzo«, der aus Arvane kam, einem Viertel, in dem Arme wohnten und eben auch Enzo mit seiner Mutter, Der Vater, der große Rennfahrer Sandro Maiga, verunglückte bei einem Autorennen tödlich; ein Pokal und eine Medaille erinnern an fernen Ruhm. Aber Enzo, der »Zwerg«, der »Seltsame«, der »Unauffällige«, der »Unfall« ist ein Hartnäckiger, will dazu gehören, sucht Gianni und Elio und die ganze Bande immer wieder auf, lässt nicht vertreiben, lag »in den Büschen und sah zu, ohne gesehen zu werden«, er, »der Lauschende und Sehnende« und Unerhörte, den sie schließlich mit niederen, demütigenden Aufgaben bedachten, weil sie ihn nicht loswurden. Und was die Bande dann am meisten erregte war, »dass er alle Zurückweisungen, jeden Spott und jedes böse Wort einfach einsteckte, als habe er es lange schon erwartet.«
Enzo »konnte gut erzählen« und »alles Erzählen und Geschichtenerfinden ist Gift. Ein Gift, das Menschen zu Unvernunft bringt, das Sehnsüchte in die Köpfe pflanzt« und es war Elio, der zuerst davon sprach, wegzugehen und sie berauschen sich daran mit weiteren, erfundenen Geschichten und dann ist es Enzo, der als erster geht, plötzlich nicht mehr da ist und es dauert eine Weile, bis man seine Abwesenheit bemerkt.
Florian L. Arnolds neuer Roman Das flüchtige Licht entwickelt sofort einen Sog, wozu auch der balladeske Einstieg gehört. Danach wechseln die Erzählperspektiven zwischen den einzelnen Personen. Mal ist es Enzo, dann, vorübergehend, Gianni, später für kurz, ein berühmter Regisseur und am Ende eine unbenannte Frau. Dieses kaleidoskopische Erzählen verschafft dem Roman Tiefe und in den besten Momenten eine Form von Dreidimensionalität.