Ein Journalist (ich nenne ihn X) teilt einen geteilten FAZ-Beitrag eines Freundes auf Facebook. Die Überschrift des FAZ-Beitrags lautet: »Altkanzler Schröder lobt Donald Trump«.
X fügt bei seinem Posting auf Facebook noch hinzu:
»Alt68er und Putinfreunde stehen zusammen!«
Viele Facebook-Freunde von X klagen die Undifferenziertheit des Postings an. Kann und darf man ja machen. Aber die Skandalisierung ist eines der Kernkompetenzen des Mediums (geworden), für das X schreibt.
Ich dachte nun ich mache es mal wie Helmut Schmidt einst sagte: »Auf grobe Klötze gehören grobe Keile«. Mein Posting also:
»Der Horst Seehofer des politischen Journalismus«.
Die Konsequenz ließ nicht lange auf sich warten: Entfreundung. (Vorher oder nachher ein Kommentar – aber den kann man dann nicht mehr sehen).
Andere ehemalige Facebooker sind in der Vergangenheit in ähnlicher Form von X »bestraft« worden. Wohl gemerkt: Das ist natürlich ein legitimes Verhalten. Aber es ist eben auch bezeichnend. In Anlehnung an Boxer, die sehr gut austeilen können aber schlechte Nehmerqualitäten besitzen nenne ich solche Schreiber Glaskinnjournalisten.
Der hier erwähnte Artikel ist ein nichtssagender kurzer Agenturtext. Auf FB wurde er x‑fach geteilt. Ich mache mir nicht die Mühe, zu zählen, aber man weiß ja, das Internet funktioniert viral, es bildet eine Mainstreamgesellschaft. Die sozialen Medien dienen der Erregung, auch und gerade Journalisten. Man plustert sich auf. Anlaß egal.
Es ging mir weniger um den viral verbreiteten Artikel der FAZ als um die Reaktion auf eine Kritik an der Gleichsetzung zwischen Alt68er und Putin-Anhängern. In Deutschland ist das Wort »Putin-Versteher« ja längst zu einem Stigma geworden. Ex-Kanzler Schröder wird nachgesagt, dass er Putin einmal als »lupenreinen Demokraten« bezeichnet habe. Das stimmt übrigens nicht ganz. Damals wurde Schröder in einer Talkshow gefragt, ob Putin ein lupenreiner Demokrat sei. Schröder bejahte das. Vergessen wird dabei auch immer, dass es 2004 war.
Interessant finde ich, dass ein gesellschaftspolitischer Journalist, der in seinen rhetorischen Salven nicht eben zimperlich ist, Kritik an seinem eigenen Tun derart dünnhäutig begegnet. Dieser X hatte Anfang des Jahres auf Facebook geschrieben, dass er jeden unter seinen Facebook-Freunden, der Anhänger der AfD sei, entfreunden werde. Er begründete dies damit, dass Facebook seine private Seite sei. Er müsse sich zwar weiter mit der AfD und deren Anhängern in seiner journalistischen Tätigkeit auseinandersetzen, will dies aber im Privaten nicht tun. Das erscheint zunächst sehr einleuchtend. Beim zweiten Lesen ist aber weltfremd. Vielleicht kann ein Rechtsanwalt oder ein Arzt Privates von Beruflichem trennen. Aber ein politischer Journalist? Kann er sich privat in eine Filterblase zurückziehen und dann, zwischen 8 und 17 Uhr in einer Redaktion plötzlich Interesse zeigen für eine politische Ansicht, die ihm widerstrebt? Und wenn ja, welche Konsequenz hat dies für sein Schreiben und, wichtiger, für seine Sicht auf die Dinge?