»Big Manni« heisst der Film und die Vorlage zur Wirklichkeit gibt es wirklich. Es ist eine Wirtschaftsbetrugsgeschichte. Aber nicht nur. Sie eignet sich hervorragend zur Bebilderung, vor allem wenn die Vorgänge schon fast 20 Jahre zurückliegen. Zeitreise in die 90er Jahre, Rechnungen in DM und es gibt keine Handys. Letzteres ist eine Wohltat.
Natürlich interessieren Wirtschaftsbetrüger wie Manfred Schmider. Banken überschütteten ihn mit Geld, die Politik hoffierte den Hersteller von Horizontalbohrmaschinen. Das Zauberwort hieß Arbeitsplätze. Schöne Werbefilmchen. Die meisten Maschinen gab es nicht. Schmider brauchte immer mehr Geld, um die Luftbuchungen am Leben zu erhalten. Schneeballsystem nennt man das. Bedenken wurden weggewischt; das Klischee vom einsamen Kripobeamten, der am Ball bleibt, wird für den Film ausgepackt.
Wie konnte es dazu kommen? Das wird einem Staatsanwalt in der dem Film angeschlossenen Dokumentation gefragt. »Er hatte in der Schule wenig Freunde und ein Grund weswegen er später so geworden ist war ja…er hatte mit 16 Jahren ein Moped…« Wenn Ermittler psychologische Gutachten abgeben, sollte man besser weghören.
Schmider heißt im Film Brenner und wird von Hans-Jochen Wagner kongenial dargestellt: Dicklich, leicht fettige Haare, schwäbelnd. Die geballte Provinz. Aber das Gegenteil von »hidden champions«: Luxusgeprotze allüberall (aber Familienmensch war er). Mit Hilfe der Politik sogar ein eigener Flughafen. Mit dem Hubschrauber ins Büro und zum Mittagessen nach Straßburg. Die ehemalige Sekretärin erzählt von der Faszination, die davon ausging.
Sieben Jahre saß Schmider im Gefängnis. 4,2 Milliarden DM soll der Schaden gewesen sein. Zu den Strafen an Politikern, Betriebsprüfern und Bankern, die versagt hatten, weil sie mitspielen wollten, gibt es keine Angaben. Die Wikipedia weiss vom Strafbefehl an den FDP-Politiker Döring. Ein anderer FDP-Politiker, die Sprecher des Unternehmens von Schmider war, wurde dafür zum Dank Ehrenvorsitzender seiner Partei. Schmider lebt heute auf Mallorca. Für den Dokumentarfilm kommt er noch einmal zurück. Seine ehemalige Wirkungsstätte wirkt wie ein Geisterhaus. In der Garage stehen ein paar Farbeimer. Er ist ergriffen.
Die Zeit ist scheinbar gekommen, die Betrügereien zu humorisieren. An Wedels »Gier«, der die Schuld der Geschädigten thematisiert und eine leichte Bewunderung für den Betrüger zeigt (oder wird man da vom famosen Ulrich Tukur nur geblendet?), kommt der Film nicht heran. So richtig böse ist man Big Manni nicht. Schlimmer ist, dass sich nach einer Stunde eine gewisse Gleichgültigkeit einstellt.
Der Film von Niki Stein zeigt eine verschwundene Zeit. Banken sind heute kaum mehr Opfer von Betrügern. Sie sind an deren Stelle getreten. Statt Schneeballsystemen gibt es Hedgefonds. Zur Not erfolgen Auslagerungen in Bad-Banks oder es gibt staatliche Rettungsprogramme. Niemand muss mehr ins Gefängnis. Es gibt Abfindungen. Und ansonsten geht es einfach weiter.