Erik-Ernst Schwa­bach: Bil­der­buch ei­ner Nacht

Erik-Ernst Schwabach: Bilderbuch einer Nacht
Erik-Ernst Schwa­bach:
Bil­der­buch ei­ner Nacht

Nein, un­ver­öf­fent­licht im stren­gen Sin­ne war der Ro­man Bil­der­buch ei­ner Nacht des deut­schen Au­tors Erik-Ernst Schwa­bach bis­her nicht. Er er­schien 1938 in ei­nem klei­nen pol­ni­schen Ver­lag – auf pol­nisch! Schwa­bach no­tier­te im Lon­do­ner Exil in sein Ta­ge­buch: »Sehr ko­misch, ein Buch von sich in den Hän­den zu haben...von dem man kein Wort ver­steht.« Zwei Ta­ge spä­ter er­lag Schwa­bach mit 47 Jah­ren ei­nem Herz­in­farkt. Das Ma­nu­skript ging mehr als acht Jahr­zehn­te ver­schlun­ge­ne We­ge (in den 1950ern wur­de es von Ro­wohlt ab­ge­lehnt). Jetzt, 2025, ver­öf­fent­licht der Wall­stein-Ver­lag erst­ma­lig in deut­scher Spra­che Schwa­bachs Ro­man. Kun­dig er­gänzt mit ei­nem Nach­wort des Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­lers und Schwa­bach-Bio­gra­fen Pe­ter Wid­lok.

Viel­leicht soll­te man Wid­loks Nach­wort zu­erst le­sen. Schwa­bach wur­de in ei­ne wohl­ha­ben­de jü­di­sche Ban­kiers­fa­mi­lie hin­ein­ge­bo­ren. Er sah sich früh als Künst­ler, Schrift­stel­ler, ver­fass­te 1913 ei­ne Ab­hand­lung über den Ex­pres­sio­nis­mus, ar­bei­te­te bei der Li­te­ra­ri­schen Welt, gab Zeit­schrif­ten her­aus, ex­pe­ri­men­tier­te mit dem Ra­dio (»Funk­spie­le«) und be­tä­tig­te sich als Kunst- und Kul­tur­mä­zen. Sei­ne Le­sun­gen und Fe­ste auf dem schle­si­schen Schloss März­dorf sol­len le­gen­där ge­we­sen sein. Dann der Ab­sturz. Schwa­bach hat­te in Reichs­mark in­ve­stiert, we­ni­ger in Im­mo­bi­li­en oder Dol­lar. Die Welt­wirt­schafts­kri­se traf ihn hart, er muss­te sei­ne be­rühm­te Bü­cher­samm­lung und schließ­lich auch März­dorf ver­kau­fen. Schwa­bach floh 1933 mit sei­ner Fa­mi­lie nach Groß­bri­tan­ni­en, hielt sich mit Un­ter­hal­tungs­stücken und Ex­po­sés für Thea­ter und Film­stof­fe über Was­ser. In Deutsch­land konn­te er nur noch un­ter Pseud­onym ver­öf­fent­li­chen. 1936 be­gann er mit Bil­der­buch ei­ner Nacht.

Schwa­bachs Epi­so­den­buch be­ginnt an ei­nem Sams­tag um 18 Uhr und en­det rund zwölf Stun­den spä­ter. Schau­platz dürf­te Ber­lin sein, ob­wohl der Na­me nicht fällt und be­kann­te Stra­ßen oder Bau­wer­ke nicht ge­nannt wer­den. In­ter­es­sant die Da­tie­rung, die er vor­nimmt: »20. Ok­to­ber 193.«. Der ein­zi­ge 20. Ok­to­ber, der in den 1930er Jah­ren ein Frei­tag ist, fin­det sich im Jahr 1934. Aber im ge­sam­ten Buch gibt es kei­nen Hin­weis auf die Na­zi-Re­gent­schaft. Es ist for­mal ein un­po­li­ti­sches Buch.

Wer kann, soll­te sich ein Per­so­nen­ver­zeich­nis an­le­gen, denn vie­le Prot­ago­ni­sten tau­chen in die­ser Nacht an un­ter­schied­li­chen Ört­lich­kei­ten auf und es ist nach­träg­lich hübsch, wie Schwa­bach die Auf­ein­an­der­tref­fen ge­stal­tet hat. Da ist et­wa der Arzt Dr. Pe­ter Paul­sen, der auf ein Din­ner bei Ban­kier Wald­herz ein­ge­la­den ist, ei­ner groß­bür­ger­li­chen, rei­chen Fa­mi­lie. Mit ein­ge­la­den ist Il­se, Paul­sens Frau, ei­ne ehe­ma­li­ge Kauf­haus­an­ge­stell­te, die aus ganz an­de­ren Ver­hält­nis­sen kommt und von den Ho­no­ra­tio­ren und Pro­mi­nen­ten von oben her­ab be­trach­tet wird. Paul­sen be­geg­net beim Din­ner Bea­te Meis­ner, ei­ne welt­ge­wand­te und ge­bil­de­te Frau, die, wie es ein­mal heißt, viel ver­spricht und er scheint ihr zu ver­fal­len, wäh­rend der Dich­ter Sven Mar­ken sich für Il­se in­ter­es­siert. Über all die­se Per­so­nen hat­te der Le­ser schon vor­her ei­ni­ges er­fah­ren. Spät in der Nacht wird Paul­sen in das Kran­ken­haus ge­ru­fen, weil Ru­di, der Po­li­zist und Ver­lob­te ei­ner Kü­chen­hil­fe der Wald­her­zens, bei ei­ner Schie­ße­rei ver­letzt wur­de.

Wei­ter­le­sen ...