Ri­chard Da­vid Precht / Ha­rald Wel­zer: Die vier­te Ge­walt

Precht/Welzer: Die vierte Gewalt
Precht/Welzer:
Die vier­te Ge­walt

We­ni­ge Ta­ge vor der of­fi­zi­el­len Ver­öf­fent­li­chung des Bu­ches »Die vier­te Ge­walt« schlug den bei­den Au­toren für ihr Werk ei­ne gro­ße Por­ti­on Hä­me und Un­ver­ständ­nis ent­ge­gen. Grund wa­ren vor al­lem die für das Buch­mar­ke­ting vor­ge­nom­me­nen (und von den Leit­me­di­en be­reit­wil­lig ge­führ­ten) In­ter­views, in dem bei­de (oder auch nur ei­ner von bei­den) vor al­lem ih­re Po­si­ti­on zum Russ­land-Ukrai­ne-Krieg und den deut­schen Waf­fen­lie­fe­run­gen noch ein­mal poin­tiert – und teil­wei­se mit gro­ßer Ar­ro­ganz – vor­brach­ten. Precht und Wel­zer sind ge­gen die Lie­fe­rung von schwe­ren Waf­fen an die Ukrai­ne (und zwar ge­ne­rell – nicht nur von Deutsch­land), weil sie ei­ne Es­ka­la­ti­on fürch­ten. Russ­land sei, so das Cre­do, Atom­macht. Dass Atom­mäch­te in der Ver­gan­gen­heit durch­aus ih­re In­va­sio­nen auf­grund zu ho­her Ge­gen­wehr ab­ge­bro­chen ha­ben, schei­nen sie nicht zu wis­sen. Statt­des­sen schla­gen sie Ver­hand­lun­gen mit Pu­tin vor, ob­wohl des­sen Re­gime die Be­din­gun­gen hier­für mehr­fach er­klärt hat: Hier­zu wä­re die Ka­pi­tu­la­ti­on der Ukrai­ne not­wen­dig.

Mehr­fach ha­ben Precht wie auch Wel­zer (hier der Ein­fach­heit hal­ber mit der Sig­le »WP« ab­ge­kürzt) in »Of­fe­nen Brie­fen« zur Ein­stel­lung der mi­li­tä­ri­schen Un­ter­stüt­zung der Ukrai­ne auf­ge­ru­fen. Dies und das ag­gres­si­ve Mar­ke­ting führt zu ful­mi­nan­tem Wi­der­spruch ins­be­son­de­re in den so­ge­nann­ten so­zia­len Me­di­en (Twit­ter, Face­book). Dass die über­wäl­ti­gen­de Mehr­zahl der Kri­ti­ker das Buch bis da­hin nicht ge­le­sen hat­ten (bzw. es nicht le­sen konn­ten) spielt kei­ne Rol­le. Man schloss schlicht­weg vom In­halt der bis­he­ri­gen State­ments von WP auf das Buch.

Om­ni­prä­sen­te Dar­lings

Bei­de Au­toren sind seit vie­len Jah­ren pu­bli­zi­stisch om­ni­prä­sent und man kann sie als Dar­lings des Me­di­en­be­triebs be­zeich­nen. Ha­rald Wel­zer, Au­tor zahl­rei­cher Bü­cher ist ei­ne be­kann­te Fi­gur der sich pro­gres­siv ge­ben­den De­growth-Be­we­gung und gern­ge­se­he­ner Gast in den Me­di­en. Ri­chard Da­vid Prechts Kar­rie­re ver­dankt sich vor al­lem dem öf­fent­lich-recht­li­chen Sy­stem: es war die Li­te­ra­tur­kri­ti­ke­rin El­ke Hei­den­reich, die sein Buch »Wer bin ich – und wenn ja, wie vie­le?« der­art em­pha­tisch lob­te, dass es prak­tisch über Nacht zum Best­stel­ler wur­de. Zu­schau­er von po­pu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Sen­dun­gen konn­ten von da an dem so­ge­nann­ten Phi­lo­so­phen Precht schwer ent­kom­men; sei­ne Bü­cher wur­den stets in ent­spre­chen­den Sen­dun­gen »vor­ge­stellt« (Eu­phe­mis­mus für be­wor­ben) und er­reich­ten dem­entspre­chend ho­he Ver­kaufs­zah­len. Tat­säch­lich hat Precht kei­nen ein­zi­gen phi­lo­so­phi­schen For­schungs­bei­trag pu­bli­ziert und spielt in der aka­de­mi­schen Phi­lo­so­phie kei­ne Rol­le.

Nun ha­ben al­so WP ein Buch ge­schrie­ben, in dem sie un­ter an­de­rem be­kla­gen, dass die so wich­tig ge­wor­de­nen Talk­show­run­den im deut­schen Fern­se­hen nicht pa­ri­tä­tisch nach Um­fra­ge­er­geb­nis­sen be­setzt sind. Weil sie her­aus­ge­fun­den ha­ben, dass im Früh­jahr bis zu 46% der be­frag­ten deut­schen Be­völ­ke­rung ge­gen Lie­fe­run­gen schwe­rer Waf­fen an die Ukrai­ne ge­we­sen sind, lei­ten die bei­den dar­aus ab, dass Dis­kur­se die­ses (schwan­ken­de) Stim­mungs­bild je­des Mal ab­zu­bil­den ha­ben. Man soll­te al­so kei­ne Mi­li­tär­ex­per­ten, Geo­po­li­tik­wis­sen­schaft­ler oder Russ­land­for­scher ein­la­den, son­dern, so wird sug­ge­riert, ver­mehrt wis­sens­fer­ne Ak­teu­re, de­ren ein­zi­ge Qua­li­fi­ka­ti­on dar­in be­steht, ei­ne be­stimm­te Mei­nungs­quo­te zu er­fül­len.

In­ter­es­sant ist da­bei, dass die­se Dis­kus­si­ons­run­den von WP wie ei­ne Art Ring­kampf be­trach­tet wer­den, in dem es nur »pro« oder »con­tra« gibt. Zwar be­kla­gen die bei­den im Lau­fe des Bu­ches ex­akt die­se bi­nä­re Aus­rich­tung und set­zen sich (et­was ob­skur for­mu­liert) für »mehr als fünf­zig Schat­tie­run­gen von Grau« (wer kommt da nicht auf ei­nen Buch­ti­tel?) ein, die »nicht an­ge­mes­sen re­prä­sen­tiert« sei­en – aber man sel­ber be­treibt das »Entweder-Oder«-Spiel sehr häu­fig.

Wei­ter­le­sen ...