Fré­dé­ric Va­lin: In klei­nen Städ­ten

Frédéric Valin: In kleinen Städten
Fré­dé­ric Va­lin: In klei­nen Städ­ten
Viel­leicht hät­te der Ver­bre­cher-Ver­lag nicht die er­ste Ge­schich­te (»Der Vor­gang«) aus »In klei­nen Städ­ten« als Le­se­pro­be an­bie­ten sol­len. Im leicht sa­lop­pen Buf­di-Ton er­zählt ein Al­ten­pfle­ger von sei­ner Sta­ti­on und vor al­lem von Syl­via, ei­ner al­ten Da­me, Epi­lep­ti­ke­rin, mo­to­risch ge­stört und auch noch »Dow­nie« oder »Mon­go«: »Die Ter­mi­no­lo­gie än­dert sich al­le zehn Jah­re, ja nach ge­sell­schaft­li­cher Gesamt­lage.« Syl­via ist an­stren­gend, »al­les an ihr ist pas­si­ver Wi­der­stand«, sie spricht mit Aus­nah­me ei­nes Sat­zes (»Du al­te Schach­tel«) nur un­ver­ständ­li­ches und re­agiert nicht auf Fra­gen. Es ist auch phy­sisch stra­pa­zi­ös sie aus dem Bett auf­zu­rich­ten, was de­tail­liert mit den Re­fle­xio­nen des Pfle­gers er­zählt wird. Ein biss­chen sprung­haft geht es dann zum Wa­schen und An­zie­hen – da wird man plötz­lich mit der Mit­tei­lung kon­fron­tiert, dass dies in 15 Mi­nu­ten er­le­digt ist.

»Syl­via« ist lei­der nicht die stärk­ste Er­zäh­lung in Fré­dé­ric Va­lins Buch. Nicht, weil ei­ne so ganz an­de­re Welt als die des Zi­vil­dienst­lei­sten­den Kâ­zim aus Chri­stoph Si­mons »Spazier­gänger Zbin­den« er­scheint; ei­ne Welt mit Trink­pro­to­kol­len, Tablettenmedi­kationen und be­fri­ste­ten Ar­beits­ver­trä­gen. Va­lins Pfle­ger duzt Syl­via, sei­ne Arbeits­auf­fassung ist un­prä­ten­ti­ös, die Ton­la­ge zu­wei­len prag­ma­tisch-schnodd­rig (et­wa, wenn er dar­über nach­denkt, wie kör­per­lich ge­sund De­men­te doch sind, da sie ei­ne um­fas­sen­de und re­gel­mä­ssi­ge ärzt­li­che Ver­sor­gung er­hal­ten) aber trotz al­lem nie­mals de­spek­tier­lich oder gar zy­nisch. Die Er­zäh­lung fällt aus ei­nem an­de­ren Grund ein biss­chen von den an­de­ren ab: Die Klip­pen des Kli­schees, die sich beim The­ma Al­te und Pfle­ge so be­reit­wil­lig auf­tun, ver­mag der Au­tor nicht ganz zu um­kur­ven. Lie­ber hät­te man ge­habt, wenn der Pfle­ger über sei­nen Be­ruf im all­ge­mei­nen und über Syl­via im spe­zi­el­len ein­fach er­zählt hät­te.

In der Ge­schich­te mit dem ver­blüf­fen­den Ti­tel »Lea lacht« fährt ein Ich-Er­zäh­ler mit sei­ner Ex-Freun­din Lea in den Ur­laub an die por­tu­gie­si­sche Al­gar­ve­kü­ste. Tou­ri­sten­höl­le mit Rent­nern und, vor al­lem, Eng­län­dern, die­se »Hun­nen der Ga­stro­no­mie«. Schnell stellt sich die Lang­wei­le ein, die ei­ne Er­ho­lung er­zeu­gen soll in Wirk­lich­keit je­doch nur Öd­nis schafft. Not­dürf­tig wird der in­tel­lek­tu­el­le Ap­pe­tit mit Be­sich­ti­gun­gen lä­cher­li­cher Kir­chen oder Klein­städ­te ge­stillt. Ins­be­son­de­re dem Mann über­kommt ei­ne in An­sät­zen bemerk­bare Meurs­ault-haf­te Gleich­gül­tig­keit. Früh be­gin­nen bei­de zu trin­ken. Am letz­ten Abend ver­sucht er sich mit ei­ner dä­ni­schen Ab­itu­ri­en­tin (»sie riecht nach Erd­beer­ku­chen« [wo­bei es ei­gent­lich »duf­tet« hei­ßen müss­te]) und fin­det da­nach Lea mit dem rus­si­schen Bar­kee­per in ih­rem Zim­mer im Bett.

Wei­ter­le­sen ...