Die Be­le­bung der Re­li­qui­en

(An­läss­lich der Aus­stel­lung der Zeich­nun­gen von Pe­ter Hand­ke in der Ga­le­rie Frie­se in Ber­lin)1

        Vor 35 Jah­ren ha­be ich im Nach­wort für mei­ne Über­set­zung des Bu­ches Wunsch­lo­ses Un­glück den Schrift­stel­ler Pe­ter Hand­ke als ei­nen »to­ta­len Au­tor« be­schrie­ben, der sich in vie­len Kunst­ar­ten er­probt hat – in der Li­te­ra­tur, im Thea­ter, in der Ki­ne­ma­to­gra­phie; da­mals war nicht be­kannt, dass Pe­ter Hand­ke auch zeich­net. Die ge­gen­wär­ti­ge Ausstel­lung der Zeich­nun­gen des Schrift­stel­lers Pe­ter Hand­ke in der Ga­le­rie Frie­se in Ber­lin bringt das zu­ta­ge. Die Aus­stel­lung sei »fun­da­men­tal«, war die Ein­schät­zung vie­ler Me­di­en im deutsch­spra­chi­gen Raum. Gleich, wenn man die un­ge­wöhn­li­chen Bil­der des Künst­lers an­schaut, der als episch-ly­ri­scher Er­zäh­ler, Dra­ma­ti­ker und Fil­me­ma­cher be­kannt ist, hat man ein über­wäl­ti­gen­des äs­the­ti­sches Er­leb­nis. In der Aus­ein­an­der­set­zung mit die­sen mi­nia­tur­haf­ten Zeich­nun­gen, die auf ein­fa­che Pa­pier­blät­ter des For­mats DIN A4 aufge­klebt und dann mit Steck­na­deln auf die wei­ßen Wän­den ge­steckt wur­den, be­we­gen uns die pla­stisch­sten Wahr­neh­mun­gen, er­schüt­ternd­sten Ge­füh­le und un­ter­schied­lich­sten Ge­dan­ken. Ich er­in­ner­te mich an ein Ge­spräch mit Pe­ter 1984, als ich mit ihm über das Ki­no spre­chen woll­te; er wich dem im­mer wie­der aus, ob­wohl er da­mals ei­ni­ge wich­ti­ge Fil­me ge­dreht hat­te; es war auch be­kannt, dass Pe­ter Hand­ke Wim Wen­ders ent­deckt und da­bei un­ter­stützt hat­te, zum Fil­me­ma­cher zu wer­den; (sie hat­ten ih­ren er­sten Film ge­mein­sam ge­dreht – »3 ame­ri­ka­ni­sche LPs«). Das Ge­spräch über Kinema­tographie ver­mei­dend, lenk­te Pe­ter die gan­ze Zeit mei­ne Auf­merk­sam­keit auf die Ma­le­rei – ins­be­son­de­re auf Paul Cé­zan­ne, der da­mals für Hand­kes Li­te­ra­tur sehr wich­tig war. Gleich nach dem Ge­spräch be­gann ich auch mei­ne Über­set­zung des Buchs Die Leh­re der Sain­te- Vic­toire. Lan­ge ha­be ich nicht ver­stan­den, war­um es zu die­sem »Ma­le­rei con­tra Film« kam.

Peter Handke: Regen am Zugfenster Friaul - © Klaus Gerrit Friese
Pe­ter Hand­ke: Re­gen am Zug­fen­ster Fri­aul – © Klaus Ger­rit Frie­se

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  1. bis 2. September 2017 

»Was wird mit Dir?« – Der Dich­ter Di­mit­ri T. Ana­lis

Am 22.9. auf dem »Poe­sie­wo­chen­en­de« in Düs­sel­dorf, or­ga­ni­siert u.a. mit der Buch­hand­lung Mül­ler & Böhm, im Hei­ne-Haus, mit­ten in der Düs­sel­dor­fer Alt- und Lärm­stadt, aus­ge­la­gert im Trin­kaus-Au­di­to­ri­um in der Kunst­samm­lung NRW, Grabbe­platz: Rund 300 Be­su­cher sind bei die­ser Ma­ti­née da­bei. Ein warm aus­ge­leuch­te­ter Raum. Vier Ses­sel (ein biss­chen an egg-chairs er­in­nernd), ein Tisch mit vier Glä­sern Was­ser. Dann nah­men Platz Pe­ter Hand­ke, Žar­ko Rad­ako­vić und Nor­bert Wehr zum Ge­spräch »über Dich­tung, das Über­set­zen und Freund­schaf­ten«. So­phie Se­min, Hand­kes Ehe­frau, nahm in der er­sten Rei­he Platz.

Ja, ums Über­set­zen ging es, um Ralph Man­heim, Hand­kes Über­set­zer ins Eng­li­sche, der 1992 ge­stor­ben ist und ihm, Hand­ke, durch das Über­set­zen sei­ne Bü­cher noch ein­mal na­he­ge­bracht ha­be. Und es ging um Hand­kes so zahl­rei­che Über­set­zun­gen. Und ei­gent­lich woll­te er kei­ne Über­set­zer­ar­beit mehr ma­chen. Aber dann, als er die Nach­richt vom Tod von Di­mit­ri T. Ana­lis ge­hört ha­be, sei er an die Ar­beit ge­gan­gen und ha­be sei­ne letz­ten Ge­dich­te über­setzt.

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