
Zum ersten Mal erschien B. Travens Das Totenschiff 1926 im Rahmen der Büchergilde Gutenberg, einem »gewerkschaftlichen Buchclub« (Volker Kutscher). Es wurde ein Riesenerfolg für einen Autor, dessen Identität niemand kannte, der jedoch zuvor bereits im sozialdemokratischen Vorwärts mit dem Fortsetzungsroman Der Baumwollpflücker für Aufsehen gesorgt hatte. Die Frage, wer dieser B. Traven war, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es ist wohltuend, dass Volker Kutscher in seinem Nachwort zur aktuellen Neuauflage dieses Romans nicht die unterschiedlichen Versionen der Identität aufdröselt. Mehrheitlich glaubt man, dass es sich um den Anarchisten und Schauspieler Ret Marut gehandelt habe, der in den 1920er Jahren nach Mexiko geflohen oder, freundlicher formuliert, emigriert war. Marut soll wiederum ein Pseudonym für den Gewerkschaftssekretär Otto Feige gewesen sein. Der Einfachheit halber werden nun mehrheitlich die Lebensdaten dieses Otto Feige für B. Traven verwendet.
Travens Gedanke war, dass der Autor nicht zu viel Aufmerksamkeit bekommen sollte. Tatsächlich trat das Gegenteil ein. Es ist erstaunlich, wie bereits in den 1920er Jahren die Unsicherheit der Autorenidentität bzw. die Abwesenheit des Autors die Öffentlichkeit derart aufwühlen konnte. Daran hat sich wenig geändert. Vor einigen Jahren brüsteten sich Pseudonym-Inspekteure mit perversem Stolz, Elena Ferrante enttarnt zu haben – als würde sich damit der Blick auf das Werk entscheidend ändern.
Nicht zuletzt durch einige Verfilmungen seiner Bücher haftet B. Traven das Etikett des Abenteuerschriftstellers an. Aber bereits zu Beginn stellt der Seemann Gales, der Ich-Erzähler aus Das Totenschiff, klar: »Die Romantik der Seegeschichten ist längst vorbei.« Kutscher führt zu recht aus, dass Das Totenschiff kein klassischer Abenteuerroman sei und mit einer Idealisierung des Seefahrerlebens nichts zu tun habe. Auf den rund 400 Seiten betritt Gales erst auf Seite 142 die »Yorikke«, jenes »Totenschiff«, das ohne Nationalitätenflagge unter anderem falsch deklarierte Waren (Waffen in Schmuggelgut) verfrachtet. Dort arbeiten nur Seemänner, die unter einem »Schiffsnotgesetz« stehen. Sie haben keine oder nur obskure Papiere, mit denen sie auf keinem seriösen Schiff anheuern können. Zu den Notmännern gehört jetzt auch der amerikanische »Deckarbeiter« Gales. Als er nach einem Landgang in Antwerpen zurückkommt, ist sein Schiff ohne ihn abgefahren. Unglücklicherweise blieben Seemannskarte und Pass an Bord. Von nun an ist er ein Niemand. »Papiere haben etwas Unmenschliches«, konstatiert Gales, der ein ähnliches Schicksal durchmacht wie Zuckmayers Schuster Voigt. Ohne Papiere kann er nicht auf den »Eimern« anheuern. Und ohne Heuer kann er eigentlich nicht leben.