Bo­do Kirch­hoff: Däm­mer und Auf­ruhr

Bodo Kirchhoff: Dämmer und Aufruhr
Bo­do Kirch­hoff:
Däm­mer und Auf­ruhr

»Aber von den spä­te­ren Ta­gen am Schwarz­see gibt es ein Foto…Ich sprin­ge da von ei­nem ho­hen Brett in den See, nur sieht man das Brett nicht und auch nicht den See, auf dem Fo­to sieht man vor al­lem mich in der Luft, die Bei­ne an­ge­zo­gen, Ar­me ge­streckt, und im Hin­ter­grund Ber­ge. Ich sprin­ge wie ei­ner, der in den Tod springt, bei dem al­les, was vor­her war, kei­ne Rol­le mehr spielt.«

Nach­ko­lo­riert fin­det sich die­ses Bild als Co­ver auf Bo­do Kirch­hoffs »Ro­man der frü­hen Jah­re« mit dem et­was rät­sel­haf­ten Ti­tel »Däm­mer und Auf­ruhr«. Es ist – dar­an be­steht kein Zwei­fel – ein au­to­fik­tio­na­les Buch. Der sprin­gen­de Jun­ge auf dem Fo­to ist 14 Jah­re alt und heißt Bo­do Kirch­hoff. Die frü­hen Jah­re, die die­ses Buch um­fas­sen, ge­hen vom 4. Le­bens­jahr bis un­ge­fähr 26, al­so von 1952 bis 1974. Un­ter­bro­chen wer­den die­se Er­in­ne­run­gen durch die Schil­de­run­gen des Auf­schrei­bens der Ge­schich­ten im Ho­tel »Beau Se­jour« in Alas­sio, in je­nem Zim­mer, in dem die El­tern 1958 in ei­nem Ur­laub oh­ne die bei­den Kin­der ih­re wo­mög­lich glück­lich­ste Zeit ver­bracht ha­ben (und doch be­reits da­mals der Keim für die spä­te­re Tren­nung auf­kam). Und auch die Re­mi­nis­zen­zen von der al­tern­den Mut­ter im Stift, un­ter­bre­chen den Strom des Ver­gan­ge­nen, der an­son­sten chro­no­lo­gisch er­zählt wird.

Wo­mög­lich rächt sich jetzt, dass der Schrei­ber die­ser Zei­len bis­her so gut wie nichts von, da­für aber ei­ni­ges über Bo­do Kirch­hoff ge­le­sen (und ge­hört) hat. Nach­tei­lig da­bei, dass Mo­ti­ve, die si­cher­lich in sei­nen an­de­ren Bü­chern be­reits auf­tau­chen, nicht er­kannt wer­den kön­nen. Manch­mal scheint Kirch­hoff den mit sei­nem Werk un­ver­trau­ten Le­ser zu hel­fen und setzt sel­ber ei­ni­ge Par­al­le­len zu den an­de­ren Bü­chern. Viel se­kun­dä­re Lek­tü­re schwirrt im Kopf her­um, wenn man die­ses Buch liest. »Por­no­schrift­stel­ler« wird er nach Pu­bli­ka­ti­on sei­ner er­sten No­vel­le (1979 »Oh­ne Ei­fer, oh­ne Zorn«) ge­nannt (so steht es »Däm­mer und Auf­ruhr«). »Macho«-Gehabe ist ein an­de­res Eti­kett (selt­sa­me Al­li­anz hier – je nach Gu­sto galt und gilt dies im­mer noch viel mehr für ei­nen an­de­ren). »Kitsch« nann­te Herr Scheck den Plot von »Wi­der­fahr­nis«. Wer ein biss­chen sucht fin­det aber auch et­li­che an­er­ken­nen­de Wor­te – von Mar­cel Reich-Ra­nicki bis Iris Ra­disch. Die üb­li­chen Ver­däch­ti­gen, die in den Ju­rys sa­ßen und sit­zen, er­wärm­ten sich den­noch eher sel­ten für Kirch­hoff (trotz lan­ger Suhrkamp-»Zugehörigkeit«; spä­ter wech­sel­te er zum Sohn). So kam es ei­ner Sen­sa­ti­on gleich, als er 2016 den Deut­schen Buch­preis ge­wann.

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