
Kann man den Mann ohne Eigenschaften, Robert Musils unvollendeten Tausend-Seiten-Roman, dem ungefähr ebenso viele Seiten unveröffentlichter Abschnitte und diverser Bruchstücke zur Seite stehen, auf einige wenige Sätze reduzieren? Mit rhetorischer Besorgtheit stellen die Rezensenten von Nicolas Mahlers Comic-Adaptierung des Werks diese Frage. Sie ist falsch gestellt, denn natürlich kann man. Die dahinter stehende Frage ist, ob man darf. Und weil nun schon seit Jahrzehnten sowieso alles geht, darf man (ebenso natürlich). Bleibt also nur die Rhetorik, um die auch wir nicht herumkommen.
Mahlers graphic novel, sein Comic (auch im wörtlichen Sinn), bringt nur wenige Sätze aus dem Roman, die Geste des Autors ist dabei schnippisch oder patzig, etwa in dieser Bedeutung: »Da habt ihr halt wieder so ein Sätzchen von unserem berühmten Mann.« Die Essenz dieser Sätze drückt der Graphiker auf Seite 61 des Comics aus, indem er die drei Sprechblasen der drei Figuren im Salon Diotimas, wo die berühmte Parallelaktion ausgeheckt wird, leer läßt. Alles nur Blabla, es wird nichts geschehen, so lautet offenbar die Interpretation Nicolas Mahlers; die Parallelaktion ist ein fake. Fragt sich, ob seine Interpretation triftig ist. Musils Absichten entspricht sie nicht, der plante nämlich, den Roman mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs enden zu lassen, was die zeitliche Bewegung der ersten beiden der Bücher, in die der Roman unterteilt ist, dem Autor ja fast aufzwingt: die Handlung vollzieht sich unmißverständlich im Jahr 1913 und bricht dann Monate vor dem Sommer des Folgejahres ab. Die scheinbar so zögerliche, der Propaganda nach friedfertige Parallelaktion – Franz Joseph II. soll als »Friedenskaiser« gefeiert werden – trägt ihr Scherflein zur europäischen Katastrophe bei. Deshalb nun die Frage: Läßt sich der hier nur kurz angedeutete Gehalt des Romans durch leere Sprechblasen, die witzig wirken mögen in den hohen Räumen des Salons, auf den Punkt bringen?