Michael Roloff, 1937 geboren, ehemaliger Handke-Übersetzer, jetziger Handke-Leser, lebt heute in Seattle. Seine Stellungnahmen zu Handke, seinem Werk, den Ansichten zu Handkes Jugoslawien-Engagement – gelegentlich sperrig, sehr pointiert, und oft lehrreich.
Begleitschreiben: In Peter Handkes Stück »Zurüstungen für die Unsterblichkeit« lässt er den neuen König Pablo sagen:
»Für mich und meine Leute hier Gesetze schaffen, wie es sie noch nie gegeben hat, wie sie ohne Zwang sofort einleuchten, und wie sie auch für überall und alle gelten können – auch für mich selber! Die Enklavenweltverlassenheit darf nicht mehr unser Stammplatz sein. Warum nicht an die Macht kommen? Lust haben auf die Macht, entsprechend der Lust, die der Vorfrühling macht. Eine ganz neuartige, in der Geschichte bisher unbekannte, und dann selbstverständliche Macht ausüben – etwas wie ein Freundschaftsspiel, welches zugleich doch zählt. Die Macht lieben auf eine Weise, wie in der Geschichte noch keiner je seine Macht geliebt hat, so dass dieses Wort weltweit eine andere Bedeutung bekäme...«
Diese Worte, von Gert Voss seinerzeit im Burgtheater gehört, entwickeln Novas Monolog in »Über die Dörfer« weiter. Ist Handke ein politischer Utopist (im durchaus positiven Sinn)?

Michael Roloff: Ein bisschen schon, sonst nicht all dieses Pathos. Und das schon zur Zeit des »Langsame Heimkehr«-Zyklus (»Langsame Heimkehr« – »Kindergeschichte« – »Die Lehre der St. Victoire« – »Über die Dörfer«), speziell in Novas hölderlinähnlicher Hymne bei der man, als Übersetzer, am Ende dann nach Luft schnappte! Intrapsychisch gesehen ist das ein Wissen um die Unmöglichkeit der Erreichbarkeit des Ideals.
Auch viel Expressionistisches dort, und später »der neue Mensch ja was ist aus ihm geworden, man hört nicht mehr viel davon« in der »Niemandsbucht«. Deswegen auch wohl das Festhalten an der Idee vom vereinigten Stammesvolk der Südslawen, die eine Geschichte und eine Sprache gemeinsam haben; die Idee, dass daraus noch etwas hätte werden können. Denn in Fukuyamas neokonservativer Welt beispielsweise ist alles Utopische abgeschafft.