Trash for cash

Ei­gent­lich dach­te man, dass mit dem Pod­cast Fa­king Hit­ler von Mal­te Her­wig (2019) die Sa­che mit den Hit­ler-Ta­ge­bü­chern er­le­digt sei. Si­cher­lich, es gab noch die­se un­säg­lich drö­ge so­ge­nann­te Ver­fil­mung glei­chen Na­mens (mit Lars Ei­din­ger als Gerd Hei­de­mann), aber die hat­te ge­gen die Hu­mo­res­ke Schtonk von Hel­mut Dietl kei­ne Chan­ce.

Nun ist man al­ler­dings der Ori­gi­nal-Fäl­schun­gen Ku­jaus hab­haft ge­wor­den, hat sie tran­skri­biert und setzt zum er­neu­ten Scoop an. Fast zeit­gleich ver­öf­fent­li­chen der NDR (an­ge­kün­digt in der Sen­dung Resch­ke-Fern­se­hen) und der März-Ver­lag Ku­jaus Fäl­schun­gen. Der NDR bie­tet zu­sätz­lich ei­ne Voll­text­su­che der (di­gi­ta­li­sier­ten) »Ta­ge­bü­cher« an. Kom­men­tiert wer­den die Ein­tra­gun­gen in bei­den Me­di­en von Ha­jo Fun­ke. So­wohl die Er­läu­te­run­gen des Her­aus­ge­bers des Bu­ches John Goetz als auch die hi­sto­ri­schen Ein­ord­nun­gen von Hei­ke B. Gör­tema­ker fin­den sich im Buch wie auch auf der NDR-Sei­te. In­ter­es­sant ist, dass auf der NDR-Sei­te kein ein­zi­ger Hin­weis auf das Buch im März-Ver­lag zu fin­den ist.

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»Nicht ve­ri­fi­zie­ren – fal­si­fi­zie­ren!«

Fu­ri­os-span­nen­de Zeit- und Me­di­en­ge­schich­te: »Fa­king Hit­ler« lie­fert neue Ein­blicke in das schein­bar Be­kann­te um die Af­fä­re der Hit­ler-Ta­ge­bü­cher

Auch wer es nicht sel­ber er­lebt hat, kennt sie ir­gend­wie: die so­ge­nann­ten Hit­ler-Ta­ge­bü­cher, die 1983 für kur­ze Zeit ganz Deutsch­land elek­tri­sier­ten. Ich war da­mals 24 Jah­re alt. Ma­ga­zi­ne wie »stern« mit ih­ren el­len­gen­lan­gen Fo­to­re­por­ta­gen in­ter­es­sier­ten mich eher we­ni­ger. Das Heft mit den Hit­ler-Ta­ge­bü­chern hat­te ich den­noch ge­kauft. Ob­wohl die Zwei­fel groß wa­ren. Wie­so tauch­ten auf ein­mal, 40 Jah­re nach Kriegs­en­de, die­se Ta­ge­bü­cher auf? Und war­um kom­men sie in ei­nem sol­chen Ma­ga­zin? Wä­re nicht eher der re­pu­ta­ti­ons­mä­ssig hö­her­ste­hen­de Spie­gel die rich­ti­ge Platt­form ge­we­sen? Im Fern­se­hen hiel­ten sich nach mei­ner Er­in­ne­rung zu­nächst Skep­ti­ker und Eu­pho­ri­ker die Waa­ge.

Aber der Scoop währ­te nur ein paar Ta­ge, dann war klar: die Ta­ge­bü­cher wa­ren ge­fälscht. Scheib­chen­wei­se ka­men nun die Ein­zel­hei­ten in die Öf­fent­lich­keit, die ir­gend­wann er­mü­de­ten. Ein paar Jah­re spä­ter noch »Schtonk«; ein Film, der mich nur mä­ssig amü­sier­te, weil ich ihn über­trie­ben und ver­harm­lo­send fand.

Aus heu­ti­ger Sicht ist es er­staun­lich, dass das An­se­hen des Jour­na­lis­mus da­mals nicht dau­er­haft Scha­den nahm. Das hat­te al­ler­dings da­mit zu tun, dass die Schar der Skep­ti­ker sehr schnell Ober­hand ge­wann – vor al­lem auch in den Kon­kur­renz­me­di­en. Jour­na­li­sten­al­li­an­zen und Re­cher­chen­etz­wer­ke gab es da­mals nicht. Am En­de blieb na­he­zu al­les am »stern« haf­ten. Und die hat­ten ih­ren Sün­den­bock, den »Star­re­por­ter« Gerd Hei­de­mann. Der ei­gent­li­che Fäl­scher Kon­rad Ku­jau wur­de eher be­staunt, manch­mal so­gar be­wun­dert. Spä­ter, nach sei­ner Haft, sah man ihn ver­schie­dent­lich im Fern­se­hen, be­vor­zugt in Talk­shows. Man scherz­te und lach­te. Auf You­tube kann man das teil­wei­se noch an­se­hen. Das wi­der­te mich an, weil ei­ne vor­sätz­li­che Ge­schichts­fäl­schung fast wie ein Ka­va­liers­de­likt be­han­delt wur­de. (Spä­ter beim an­de­ren gro­ßen Fäl­scher Bel­trac­chi, der die Schicki-Micki-Möch­te­gern-Kunst-Avant­gar­de hin­ters Licht führ­te, war das an­ders.)

An­fang des Jah­res er­fuhr ich von ei­ner zehn­tei­li­gen Pod­cast-Se­rie »Fa­king Hit­ler« – und das un­ter Ägi­de des »stern«. Mu­tig, mu­tig. Den Au­tor Mal­te Her­wig ken­ne ich per­sön­lich durch mei­ne Be­schäf­ti­gung mit Hand­ke und sei­ne – nach wie vor – lu­zi­de Bio­gra­phie über den öster­rei­chi­schen Schrift­stel­ler. Da­mals ent­deck­te Her­wig Brie­fe von Hand­kes leib­li­chem Va­ter, die un­be­kannt wa­ren. Für sein Buch »Die Flak­hel­fer« ging er in Ar­chi­ve um fest­zu­stel­len, wer von den 1925ff ge­bo­re­nen noch NSDAP-Mit­glied wur­de – und dies spä­ter dann be­stritt. Es gab kei­nen Au­to­ma­tis­mus bei der Mit­glied­schaft – so die re­cher­chier­te Bot­schaft. Das Buch lö­ste Kon­tro­ver­sen aus. Her­wig ging es nicht dar­um, die Leu­te zu de­nun­zie­ren. Er wer­te­te nicht, er be­rich­te­te. Für man­che war dies zu viel, weil sich her­aus­stell­te, dass ih­re Ido­le auch nur Men­schen wa­ren, die sich in ih­rer Ju­gend falsch ver­hiel­ten.

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