Es war ein lauer Sommerabend 1998. Die Plakate hatte ich schon vorher gesehen. Wir schlenderten am Rhein entlang und plötzlich kam uns die Idee, die Rheinterrassen zu besuchen. Joschka Fischer hielt dort eine Wahlkampfrede. Es begann mit dem Kabarettist Volker Pispers, der einige Witzchen über Kohl und dessen (maroder) Regierung machte. Wir sehnten die Zeit herbei, dass solche Witze nicht mehr gemacht werden konnten.
Dann kam er. Hager, mönchisch, fast ein bisschen kränklich sah er aus. Er soll sogar, flüsterte man sich zu, vorher noch am Rhein gejoggt haben. 9/11 war noch sehr weit weg und ausserhalb unserer Vorstellungen. Die Stimme halbwegs fest; der Wahlkampf, »Ihr versteht«. Wenige Wochen danach erkennen wir Fischer beim Antrittsbesuch in Washington im Fernsehen kaum wieder – in edlem Zwirn, die Körpersprache fast unterwürfig, gar ängstlich; wie ein Gymnasiast, der guten Eindruck bei dem reichen Onkel machen möchte. Hundert Jahre später oder: Wie schnell geht das?