Die Mit­te Deutsch­lands im Wech­sel der Zei­ten

Ge­schich­te kennt kein letz­tes Wort. (Wil­ly Brandt)

 

Ein Riss ging durch deut­sche Lan­de – von Tra­ve­mün­de bis zum ein­sti­gen Drei­län­der­eck bei Hof. Über vier­zig Jah­re. Die­se po­li­ti­sche wie geo­gra­phi­sche Tei­lung trenn­te Men­schen und Re­gio­nen. Ent­stan­den war aber auch ein (fast) un­be­kann­ter Land­schafts-Längs­schnitt in bei­den Deutsch­lands.

Grenzübergänge - Info Tafel in Mödlareuth (Foto © R. Lüdde)
Grenz­über­gän­ge – In­fo Ta­fel in Möd­lareuth (Fo­to © R. Lüd­de)
Aus al­ten Kul­tur­land­schaf­ten wa­ren Grenz­ge­bie­te ge­wor­den und nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung 1990 aus dem ein­sti­gen To­des­strei­fen ein Le­bens­band: Ein über 1393 Ki­lo­me­ter lan­ges mit 17 Na­tur­räu­men ver­bundenes »Grü­nes Band« zieht sich in­zwi­schen durch die Mit­te Deutsch­lands: ge­schütz­te Land­stri­che, un­mit­tel­bar am ehe­ma­li­gen Grenz­ver­lauf.

Das Na­tur­schutz­pro­jekt »Grü­nes Band« be­wahrt ei­nen Grün­gür­tel, ei­nen Kor­ri­dor durch stark zer­stückelte Land­schaft. Da­bei han­delt es sich um den so ge­nann­ten Ko­lon­nen­weg auf der ehe­ma­li­gen »De­mar­ka­ti­ons­li­nie« in ei­ner Brei­te zwi­schen 50 und 200 Me­tern. Über Jahr­zehn­te hat­te hier nur die Na­tur »Be­we­gungs­frei­heit«. Es ent­stand ei­ne Art Wild­nis in ei­ner sonst so in­ten­siv ge­nutz­ten land­schaftlichen Um­ge­bung: Brach­flä­chen wech­seln sich mit ver­busch­ten Ab­schnit­ten ab, Altgras­fluren mit Wald, Flüs­se mit Feucht­ge­bie­ten und Moo­ren.

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Uwe Kol­be: Die Lü­ge

Uwe Kolbe: Die Lüge
Uwe Kol­be: Die Lü­ge
Neu­lich strahl­te das ZDF ei­nen zwei­tei­li­gen Film über den All­tag des »nor­ma­len« Bür­gers in der DDR aus. Es war der in­zwi­schen längst üb­li­che Mix aus hi­sto­ri­schen, teil­wei­se pri­va­ten Film­auf­nah­men und Pro­mi­nen­ten, die in den Zeu­gen­stand ge­ru­fen wur­den. Sie er­zähl­ten vom Man­gel, vom Zu­sam­men­halt, von ih­ren Idea­len, die sich suk­zes­si­ve pul­ve­ri­sier­ten. Über­ra­schen­der als die Tat­sa­che ei­nes sol­chen Films an sich war der Ti­tel: »Nicht al­les war schlecht«. Ad­ap­ti­on ei­nes Lied­ti­tels der »Prin­zen« von 2010? Mög­lich. Aber so­fort ka­men mir die Er­zäh­lun­gen von Ver­wand­ten und Be­kann­ten aus mei­ner Kind­heit in den Kopf. Man hör­te den Satz bis weit in die 70er Jah­re hin­ein: Da­mals, beim Hit­ler, sei nicht al­les schlecht ge­we­sen. Ei­nen Film im Jahr 1970 mit ei­nem sol­chen Ti­tel über den All­tag im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus zwi­schen 1933 und 1939 gibt es mei­nes Wis­sens nicht; er hät­te ei­nen ve­ri­ta­blen Skan­dal aus­ge­löst.

Jetzt ist es si­cher­lich nicht op­por­tun, Na­zi­deutsch­land mit der DDR zu ver­glei­chen. Das Grass-Wort von der »kom­mo­den Dik­ta­tur« war ja so ganz falsch nicht. Aber dass man ei­nen der­art kon­ta­mi­nier­ten Ti­tel ge­nom­men hat­te, be­frem­de­te mich doch. Merk­wür­dig dann, dass ich mich wäh­rend der Lek­tü­re von Uwe Kol­bes neu­em Buch »Die Lü­ge« an die­ses »Nicht al­les war schlecht« er­in­ner­te. Im Ro­man er­zählt der Kom­po­nist Ha­du­brand Ein­zweck, ge­nannt Har­ry, von den er­sten rund drei­ßig Jah­ren sei­nes Le­bens in der DDR. Un­trenn­bar ist dies ver­bun­den mit dem Ver­hält­nis zu sei­nem Va­ter Hil­de­brand, ge­nannt Hin­rich, der An­fang der 1950er Jah­re mit sei­ner da­ma­li­gen Frau Kar­la als über­zeug­ter Kom­mu­nist von Ham­burg in die sich for­mie­ren­de, so­zia­li­sti­sche deut­sche Re­pu­blik, »dem Mor­gen­rot ent­ge­gen«, über­sie­del­te.

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Erich Loest: Lö­wen­stadt

Erich Loest: Löwenstadt
Erich Loest: Lö­wen­stadt

»Lö­wen­stadt« ist Erich Loests Über­ar­bei­tung und vor al­lem Fort­schrei­bung sei­nes 1984 ver­öf­fent­lich­ten Ro­mans »Völ­ker­schlacht­denk­mal«. Am 6. Ju­li 1982 wird Fre­di Lin­den in ei­ne Stas­ik­laps­müh­le bei Leip­zig ein­ge­lie­fert. Lin­den, ge­lern­ter Spreng­mei­ster (Mei­ster­li­ches Spren­gen hat Sanf­tes an sich), von sei­nem Be­ruf seit Jah­ren be­reits sus­pen­diert und zu­letzt Pfört­ner am Denk­mal wird ver­däch­tigt, dass Völ­ker­schlacht­denk­mal spren­gen zu wol­len, in ei­nem (ge­heim­nis­vol­len) Flucht­stol­len von Män­nern in gel­ben Over­alls ge­stellt und fest­ge­nom­men (und er be­haup­tet hart­näckig, kurz vor­her ei­nen Raum mit Schalt­ta­feln ent­deckt zu ha­ben).

Das Völ­ker­schlacht­denk­mal, von Lin­dens Va­ter Fe­lix mit er­baut und ex­akt in Fre­dis Ge­burts­jahr fer­tig­ge­stellt und ein­ge­weiht, wird Dreh- und Treff­punkt in den Er­zäh­lun­gen des Be­schul­dig­ten; man be­kommt den Ein­druck, er ken­ne je­den der sechs­und­zwan­zig­tau­send­fünf­hun­dert Gra­nit­werk­stücke, je­den Ge­heim­weg und je­den Stol­len in die­sem La­by­rinth – ober- wie un­ter­ir­disch (was ihn nicht un­ver­däch­ti­ger macht).

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