Mi­chel Hou­el­le­becq: Ei­ni­ge Mo­na­te in mei­nem Le­ben

Michel Houellebecq: Einige Monate in meinem Leben

Mi­chel Hou­el­le­becq: Ei­ni­ge Mo­na­te in mei­nem Le­ben

Die Däm­me sind ge­bro­chen, die Über­zeu­gungs­ar­beit von Ge­ne­ra­tio­nen von Li­te­ra­ten, Kri­ti­kern, Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­lern und Le­sern ist Ma­ku­la­tur. Die Ver­si­che­rung, ja: Er­kennt­nis, dass das na­men­lo­se Er­zähl-Ich ei­nes Ro­mans oder ei­ner Er­zäh­lung nicht iden­tisch ist mit dem Au­tor, der Au­torin wird zu­se­hends pul­ve­ri­siert. En­de der 1970er Jah­re vom fran­zö­si­schen Schrift­stel­ler und Li­te­ra­tur­pro­fes­sor Ser­ge Dou­brov­sky ent­deckt und ge­prägt, be­gann es mit dem Gen­re der Au­to­fik­ti­on. Mit ihm wur­de das im au­to­bio­gra­phi­schen Schrei­ben vor­han­de­ne Span­nungs­ver­hält­nis zwi­schen Au­tor und Er­zähl-Ich ver­scho­ben zu Gun­sten der Les­art, dass das »Ich« (na­he­zu) iden­tisch mit dem Au­tor ist. Der li­te­ra­ri­sche Akt lag in der Aus­ge­stal­tung des Er­eig­ne­ten. Bei­spiel­haft für au­to­fik­tio­na­les Schrei­bens ist die 2022 mit dem Li­te­ra­tur­no­bel­preis aus­ge­zeich­ne­te An­nie Er­naux. Ih­rem letz­ten Buch Ein jun­ger Mann stell­te sie ihr Schreib­ge­setz vor­an: »Wenn ich die Din­ge nicht auf­schrei­be, sind sie nicht zu ih­rem En­de ge­kom­men, son­dern wur­den nur er­lebt.«

An­fangs be­grüß­te das Feuil­le­ton die­sen bio­gra­phi­sti­schen An­satz, weil es ihm die lä­sti­ge Su­che nach der Li­te­r­a­ri­zi­tät von Pro­sa­tex­ten er­spar­te. Man brauch­te nur die Le­bens­da­ten des Ver­fas­sers mit dem Ge­schrie­be­nen zu ver­glei­chen. Nach dem (nie wirk­lich re­le­van­ten) »Tod des Au­tors« be­gann die Do­mi­nanz der Ver­schmel­zung zwi­schen Ver­fas­ser und Er­zäh­ler, die Herr­schaft der Au­then­ti­zi­tät und des Plots. Die ak­tu­el­le De­bat­te um Iden­ti­tä­ten ver­stärkt den Trend der Au­to­fik­ti­on, ob­wohl in­zwi­schen längst die mei­sten Kri­ti­ker da­von er­schöpft sind.

Mi­chel Hou­el­le­becq war bis­her kein Au­tor au­to­fik­tio­na­len Schrei­bens. Zwar gab es ver­ein­zelt Par­al­le­len zwi­schen ihm und sei­nen Fi­gu­ren (Li­te­ra­tur­vor­lie­ben oder ge­sell­schafts­po­li­ti­sche Sicht­wei­sen), aber nie­mand wä­re ernst­haft auf die Idee ge­kom­men, bei­spiels­wei­se den Li­te­ra­tur­pro­fes­sor Fran­çois aus Un­ter­wer­fung als Al­ter ego Hou­el­le­becqs zu se­hen. Mit sei­nem neue­sten Buch mit dem harm­los an­mu­ten­den Ti­tel Ei­ni­ge Mo­na­te in mei­nem Le­ben (Über­set­zung von Ste­phan Klei­ner) sieht das al­les ganz an­ders aus. Hou­el­le­becq zer­stört mit die­sem Buch jeg­li­che Di­stanz zwi­schen sich und dem Er­zähl-Ich, zwi­schen den tat­säch­li­chen Er­eig­nis­sen und den Schil­de­run­gen im Buch. Er schreibt ei­ne ul­ti­ma­ti­ve Nicht­fik­ti­on. Dass das Buch kei­ne Gen­re­bezeich­nung trägt, ist nur kon­se­quent. Der Un­ter­ti­tel lau­tet Ok­to­ber 2022 – März 2023. Aber ein Ta­ge­buch oder Jour­nal ist es auch nicht. Ge­gen En­de spricht er sel­ber von ei­nem »Be­richt«; auf­ge­schrie­ben zwi­schen dem 31. März und dem 16. April 2023.

Es geht im We­sent­li­chen um zwei Er­eig­nis­se, die Hou­el­le­becqs Le­ben zwi­schen Herbst 2022 und Früh­jahr 2023 be­stimmt ha­ben. Zum ei­nen ver­sucht er klar­zu­stel­len, dass sei­ne von vie­len als pro­vo­ka­tiv und dis­kri­mi­nie­rend in­ter­pre­tier­ten Äu­ße­run­gen über Mus­li­me im Ge­spräch mit Mi­chel On­fray in ei­ner Son­der­aus­ga­be der Zeit­schrift Front Po­pu­lai­re un­ge­nau, ja falsch ge­we­sen wä­ren. Der Ein­druck, er hät­te die Mus­li­me und/oder den Is­lam pau­schal be­lei­di­gen wol­len, möch­te er kor­ri­gie­ren. Das Ge­spräch sei nicht ge­gen­ge­le­sen wor­den. Die Schuld für die­se miss­ver­ständ­li­chen Äu­ße­run­gen gibt sich Hou­el­le­becq aus­drück­lich sel­ber. Er er­wähnt zwei Stel­len, zi­tiert zu­nächst die um­strit­te­nen Pass­sa­gen, um dann sei­ne am Schreib­tisch for­mu­lier­ten Kor­rek­tur­ant­wor­ten zu ge­ben. Es mün­det al­les in der Aus­sa­ge: »Das Pro­blem [in Frank­reich] ist nicht der Is­lam, es ist die Kri­mi­na­li­tät.« In An­be­tracht der ak­tu­el­len Er­eig­nis­se er­schei­nen die Äu­ße­run­gen in ei­nem et­was an­de­ren Licht.

Durch ei­ne Ver­mitt­lung des Ober­rab­bi­ners kam es zu ei­nem klä­ren­den Ge­spräch zwi­schen Hou­el­le­becq und dem Lei­ter der Gro­ßen Mo­schee von Pa­ris, bei dem er sich schließ­lich be­dankt, »die­se Rich­tig­stel­lung zu ak­zep­tie­ren«. Gleich­zei­tig at­te­stiert Hou­el­le­becq ihm, dass er »oh­ne Zwei­fel der ge­mä­ßig­ten Mehr­heit« an­ge­hö­re. Der Satz en­det dann doch iro­nisch, weil er so­gar »die Mög­lich­keit sei­ner Er­mor­dung durch ein Mit­glied der ex­tre­mi­sti­schen Min­der­heit in Be­tracht« zieht. Wie auch im­mer, sei­ne »ewi­gen Zan­ke­rei­en mit den Mus­li­men« schei­nen bei­gelegt. Als er dann je­doch we­nig spä­ter von an­de­rer Sei­te wie­der an­ge­grif­fen wird und On­fray bit­tet, die Neu­auf­la­ge des Ma­ga­zin­bands zu stop­pen, da sie die in­zwi­schen re­vi­dier­ten Aus­sa­gen wei­ter ent­hal­ten wür­den, kommt es zum Zer­würf­nis zwi­schen den bei­den.

Das zwei­te Er­eig­nis do­mi­niert die knapp ein­hun­dert Sei­ten. Es geht um den so­ge­nann­ten »Hou­el­le­becq-Por­no«. Da­bei, so lernt der Le­ser spä­ter, sind es ei­gent­lich zwei Fil­me. Der ei­ne ba­siert auf ei­ner zwei­stün­di­gen »se­xu­el­len Be­geg­nung« mit ihm, sei­ner Frau und ei­ner ge­wis­sen Ji­ni van Rooi­jen, die ihm an­fangs als Phi­lo­so­phie­stu­den­tin vor­ge­stellt wur­de. Sie wünsch­te, dass die Be­geg­nung ge­filmt wür­de, um, wie es heißt, »ih­ren On­ly­fans1-Ac­count mit Ma­te­ri­al zu ver­sor­gen«. Hou­el­le­becq war dies am An­fang an­ge­tan da­von; hielt sie für ei­ne »recht­schaf­fen­de Ex­hi­bi­tio­ni­stin«. Ge­filmt wur­de von je­man­den, den Hou­el­le­becq im Buch durch­gän­gig als »Ka­ker­lak« be­zeich­net. Da­bei han­delt es sich um den nie­der­län­di­schen Kon­zept­vi­deo­künst­ler Ste­fan Rui­ten­beek, be­kannt als Mit­strei­ter in­ner­halb des so­ge­nann­ten KI­RAC-Kol­lek­tivs (»Kee­ping It Re­al Art Cri­tics«), ei­ner Ver­ei­ni­gung von mo­ral­pus­se­li­gen Kunst­ak­ti­vi­sten.

War­um Hou­el­le­becq über­haupt auf die Idee ei­nes por­no­gra­phi­schen Films mit sich in der Haupt­rol­le kam, bleibt trotz vie­ler Ex­kur­se un­klar. Man er­fährt von ei­ner nicht statt­ge­fun­de­nen Rei­se nach Ma­rok­ko, was zur Fol­ge hat­te, dass das für ihn zu­sam­men­ge­stell­te »se­xu­el­le Pro­gramm mit ver­schie­de­nen ma­rok­ka­ni­schen Pro­sti­tu­ier­ten« be­dau­er­li­cher­wei­se ab­ge­sagt wer­den muss­te. Er rä­so­niert über den Un­ter­schied zwi­schen kom­mer­zi­el­len und ama­teur­haf­ten Por­nos und er­läu­tert, wann er beim Fil­men se­xu­el­ler Tä­tig­kei­ten ei­ne Erek­ti­on be­kommt und wann nicht.

Der zwei­stün­di­ge Drei­er ver­lief im wört­li­chen Sinn für ihn eher un­be­frie­di­gend. Aus­gie­big er­zählt Hou­el­le­becq über die an­schei­nend nicht be­son­ders gu­ten se­xu­el­len Fä­hig­kei­ten der jun­gen Frau, die nach sei­nem Ur­teil nicht »wür­dig« sei, das At­tri­but »Schlam­pe« zu tra­gen und die er der Ein­fach­heit hal­ber durch­gän­gig als »die Sau« be­ti­telt. Plötz­lich woll­te er auch nicht mehr, dass der Film auf On­ly­fri­ends on­line ge­stellt wür­de, weil er her­aus­be­kom­men hat­te, dass der Ex­hi­bi­tio­nis­mus der Frau »auf Käuf­lich­keit« be­ruh­te.

Wei­te­re Un­klar­hei­ten fol­gen. War­um Hou­el­le­becq (mit sei­ner Frau) im De­zem­ber nach Am­ster­dam fährt und war­um er dort ei­nen Ver­trag mit KIRAC un­ter­schreibt, der, wie sei­ne nie­der­län­di­sche An­wäl­tin spä­ter fest­stellt, ei­nem Tier mehr Rech­te ein­räu­men wür­de als ihm, über­rascht – zu­mal wenn man den Text des Ver­trags kennt (er ist ab­ge­druckt). Den­noch lässt er sich aber­mals auf ei­nen Film ein, dies­mal mit ei­ner »nichts­sa­gen­den Schön­heit«, die er »die Pu­te« nennt. Der Film en­det im Fi­as­ko; Hou­el­le­becq ge­lin­gen nur ein paar Zärt­lich­kei­ten. Man schei­det im Streit: »Be­lei­di­gun­gen wur­den aus­ge­tauscht, oh­ne dass es zu Hand­greif­lich­kei­ten ge­kom­men wä­re«.

Er ent­deckt, dass der Ver­trag, den er un­ter­schrie­ben hat, auch rück­wir­kend gilt. Als er Ho­ney­pot2 an­schaut, ein por­no­gra­fi­scher Film der Grup­pe mit dem als all­ge­mein rechts­la­stig ein­ge­stuf­ten Phi­lo­so­phen Sid Luk­kas­sen (Au­tor des kon­tro­vers dis­ku­tier­ten Bu­ches Abend­land und Iden­ti­tät), ent­wickelt sich ge­gen­über KIRAC ein ve­ri­ta­bler Hass. Er fürch­tet nun, er­presst oder, ähn­lich wie Luk­kas­sen, bloß­ge­stellt zu wer­den und ver­sucht, die Ver­öf­fent­li­chung des Films mit ihm, die für den 11. März 2023 an­ge­kün­digt wur­de (ei­nen Tag zu­vor er­schien in den Nie­der­lan­den Ver­nich­ten) mit ge­richt­li­chen Mit­teln zu ver­hin­dern. Die An­ge­le­gen­heit wur­de so­gar von der New York Times auf­ge­grif­fen, was ge­nüss­lich auf der Web­sei­te von KIRAC aus­ge­brei­tet wird.

Bis zum En­de sei­ner No­ti­zen schei­tert Hou­el­le­becq zwei Mal vor Ge­richt, was na­tür­lich Was­ser auf sei­ne Müh­len ist – der Ju­stiz ver­traut er we­der in Frank­reich noch in den Nie­der­lan­den; pri­va­te Ra­che lehnt er je­doch ab. Das Sar­ko­zy-Wort von den »klei­nen Erb­sen« (für Rich­ter) wird ge­lobt. Das passt zum Duk­tus die­ses Bu­ches, den Be­zeich­nun­gen für die KI­RAC-Prot­ago­ni­sten (der »Ka­ker­lak« wird ge­gen Schluss zum »mensch­li­chen Scheiß­hau­fen« de­gra­diert), der »Meu­te der Me­di­en­schwach­köp­fe«, er­go den Jour­na­li­sten (er nennt ei­ni­ge Na­men, aber um die­se ein­zu­ord­nen sind De­tail­kennt­nis­se fran­zö­si­scher Pu­bli­zi­stik not­wen­dig), den Bio­gra­fen (ei­ne »dum­me und bös­ar­ti­ge Spe­zi­es«) wie auch der Li­te­ra­tur­kri­tik (Hou­el­le­becq rät­selt vor al­lem über Pierre As­souli­nes »er­bit­ter­ten Hass« auf ihn). Al­len­falls Bern­hard-Hen­ri Lé­vy und, ge­gen En­de, Gé­rard De­par­dieu ste­hen ihm bei – was im­mer das auch be­deu­tet.

Ei­ner­seits ist sich Hou­el­le­becq be­wusst, dass durch die­ses Buch die von ihm so ver­ach­te­ten Prot­ago­ni­sten ver­mut­lich »un­sterb­lich« wer­den. An­de­rer­seits beugt er der In­ten­si­tät des Skan­da­lons durch sei­ne Of­fen­heit vor. Ich muss al­ler­dings be­ken­nen, dass mich die se­xu­el­len Vor­lie­ben und/oder Per­ver­sio­nen von Schrift­stel­lern (und auch an­de­ren Per­so­nen) nicht in­ter­es­sie­ren, vor al­lem wenn sie wie hier als halb­wegs schlech­ter Schul­auf­satz (mit zahl­rei­chen Ab­schwei­fun­gen) oh­ne jeg­li­che li­te­ra­ri­sche Form da­her­kom­men.

Wie Nek­tar saugt der Le­ser aus ei­ni­gen ab­sei­ti­gen Be­mer­kun­gen des Au­tors Nek­tar, et­wa wenn von John Gris­ham und Hou­el­le­becqs Vor­lie­be zu des­sen An­walts­thril­lern er­zählt, Theo­dor Fon­ta­ne und Tho­mas Mann Ver­eh­rung ent­ge­gen­ge­bracht oder über Pa­blo Pi­cas­so, die­sen »dau­er­eri­gier­ten Kre­tin« mit sei­ner »häss­li­chen See­le«, her­ge­zo­gen wird. Auch sei­ne lo­se for­mu­lier­ten Ge­dan­ken zur Ster­be­hil­fe, die er im Buch durch­gän­gig »Eu­tha­na­sie« nennt oder sein wie bei­läu­fig hin­ge­schrie­be­nes Be­kennt­nis zu ei­ner »ma­te­ria­li­sti­schen On­to­lo­gie« könn­ten In­ter­es­se er­zeu­gen, ret­ten die­ses Buch je­doch nicht.

Aus dem hoff­nungs­lo­sen Ro­man­ti­ker, der in sei­nen be­sten Ro­ma­nen (die Gun­nar Decker zu­tref­fend »Un­ab­hän­gig­keits­er­klä­run­gen des träu­me­ri­schen Ein­zel­nen« nann­te) ge­gen den ei­nen un­aus­weich­li­chen Zeit­geist der Kon­for­mi­tät das freie In­di­vi­du­um setz­te, ist ein weh­lei­di­ger Nar­zisst ge­wor­den, der für sei­ne selbst­ver­schul­de­ten Dumm­hei­ten in Selbst­mit­leid ba­dend zu ver­sin­ken droht. Der Hö­he­punkt die­ser Je­re­mia­den stellt die de­gou­tan­te Fest­stel­lung dar, dass er »zum er­sten Mal et­was [er­spü­re], was mir den Schil­de­run­gen von Frau­en zu äh­neln schien, die Op­fer ei­ner Ver­ge­wal­ti­gung wur­den.«

Es bleibt die Hoff­nung, dass Ei­ni­ge Mo­na­te in mei­nem Le­ben ein Aus­rut­scher war.


  1. Ein kostenpflichtiges Sex- bzw. Pornoportal. 

  2. Das Trailer-Video auf KIRAC-Webseite schreibt fehlerhaft "Lukassen". Der Film wird dort Honey Pot geschrieben. 

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  1. Nach mei­nem be­schei­de­nen Da­für­hal­ten war der au­to­bio­gra­phi­sche Hin­ter­grund (so sag­te man frü­her) des Hou­el­le­becq­schen Schrei­bens spä­te­stens seit »Aus­wei­tung der Kampf­zo­ne« klar. Die Sex-Ob­ses­sio­nen, zu Be­ginn sei­ner Kar­rie­re vor al­lem der Se­xu­al­hun­ger und die se­xu­el­len Er­nied­ri­gun­gen, die­se Ei­gen­schaf­ten ha­ben die Prot­ago­ni­sten mit dem Au­tor ge­mein, eben­so die Neu­gier für por­no­gra­phi­sche Dar­stel­lung und Pro­mis­kui­tät so­wie die Nei­gung zur De­pres­si­on. Der Ich-Er­zäh­ler sei­nes er­sten Ro­mans hat üb­ri­gens wie H. selbst Agro­no­mie stu­diert und ist in In­for­ma­tik be­schla­gen.

    Al­ler­dings war mir der Be­griff »Au­to­fik­ti­on« su­spekt, seit er Ver­brei­tung ge­fun­den hat. Li­te­ra­tur spielt sich so­wie­so im wei­ten Feld zwi­schen Selbst­dar­stel­lung, vul­go Selbst­aus­druck, und Fik­ti­on, vul­go Er­fin­dung, ab. Rei­ne Selbst­dar­stel­lung ist sel­ten bzw. oft gar kei­ne Li­te­ra­tur, und ich-lo­se Fik­ti­on wird man nicht ein­mal in SF-Ro­ma­nen fin­den.

    Ist, nur zum Bei­spiel, Ul­rich im »Mann oh­ne Ei­gen­schaf­ten« gleich Mu­sil? Ant­wort: Na­tür­lich ja. Zwei­te Ant­wort: Na­tür­lich nein. Al­so ja und nein. In zah­len­ver­lieb­ten Zei­ten wird manch ei­ner Misch­ver­hält­nis­se be­stim­men oder Ska­len er­stel­len wol­len. Viel Glück!

  2. Dass Tex­te von Schrift­stel­lern mal mehr mal we­ni­ger au­to­bio­gra­phisch grun­diert sind, ist nicht zu be­strei­ten. Aber in­dem die­se Grun­die­rung eben be­frag­bar ist, der Text nicht Eins zu Eins ein­fach über­tra­gen wer­den kann, macht die­ses Schrei­ben eben zur Fik­ti­on (selbst bei ei­nem Ich-Er­zäh­ler). Bei ei­ner Au­to­fik­ti­on nä­hert sich der Ver­fas­ser der ei­ge­nen Le­bens­rea­li­tät und den Er­eig­nis­sen im Ro­man an. Es ist kein Zu­fall, dass die­ser Be­griff in den 1970ern ge­prägt wur­de, als bei­spiels­wei­se in der deutsch(sprachig)en Li­te­ra­tur die »Neue Sub­jek­ti­vi­tät« auf­kam, die auch mal ger­ne als »Na­bel­schau« ab­qua­li­fi­ziert wur­de. Dass er sich in Deutsch­land nicht durch­setz­te, könn­te da­mit zu tun ha­ben, dass man den Schein der Fik­tio­na­li­tät wah­ren woll­te. An­son­sten hät­te man bei­spiels­wei­se Tho­mas Bern­hards au­to­bio­gra­phi­schen Bü­cher ent­spre­chend schon ein­ord­nen müs­sen. Wir glau­ben bis heu­te, dass sich al­les so er­eig­net hat, wie es Bern­hard schreibt. Der Mehr­wert die­ser Pro­sa liegt al­ler­dings auch dar­in, dass er dies aus ei­ner ge­wis­sen zeit­li­chen Ent­fer­nung fasst.

    Hou­el­le­becq stellt in sei­nem neu­en Buch kei­ne Di­stanz mehr zwi­schen Er­zähl-Ich und Le­bens-Ich her. Vie­les ist di­rekt nach­voll­zieh­bar, zum Teil auch im In­ter­net; es wer­den Ori­gi­nal-Na­men ge­nannt (und dann ver­ball­hornt). Das Buch hat im Prin­zip kei­nen li­te­ra­ri­schen Wert mehr.

    Dass die Fi­gu­ren in den frü­he­ren Ro­ma­nen von MH Sex-Ob­ses­sio­nen des Au­tors wa­ren, kann man gut und ger­ne mut­ma­ßen – aber kann man es wis­sen? Und: Soll­te man es wis­sen?

  3. Wenn man über Zu­sam­men­hän­ge zwi­schen Schöp­fer und Werk über­haupt re­den will, ist man im­mer wie­der auf Mut­ma­ßun­gen an­ge­wie­sen. Macht ja nichts, man muß nicht al­les be­wei­sen oder auch nur be­le­gen. Man kann aber, wenn man sich aus­führ­lich mit ei­nem Werk be­schäf­tigt, Mu­ster fest­stel­len und par­al­le­len zu bio­gra­phi­schen Da­ten oder Dy­na­mi­ken.

    Nach mei­ner Er­in­ne­rung hat der Be­griff »Au­to­fik­ti­on« im deut­schen Sprach­raum erst lan­ge nach der sog. Neu­en In­ner­lich­keit Ver­brei­tung ge­fun­den; ich glau­be, erst in den Neun­zi­gern. Und in Frank­reich do­mi­nier­ten zu­vor Post/Strukturalismus und im aka­de­mi­schen Be­reich dann Gé­rard Ge­net­te. Hand­kes »Wunsch­lo­ses Un­glück« von 1972 wird man in die­sem en­ge­ren Sinn ver­mut­lich als Au­to­fik­ti­on be­zeich­nen kön­nen. Auf sehr spe­zi­el­le Art hers­ge­stellt, durch Kom­bi­na­ti­on von per­sön­li­cher Aus­ein­an­der­set­zung mit ei­ner wirk­lich ge­lebt ha­ben­den Fi­gur, mit vie­len au­to­bio­gra­phi­schen Er­in­ne­run­gen, und auf der an­de­ren Sei­te Dar­stel­lung und Kri­tik von So­zi­al- und Sprach­mu­stern. Die wirk­lich sub­jek­ti­vi­sti­sche, in­ti­mi­sti­sche Li­te­ra­tur, oder wie man’s nen­nen soll, re­prä­sen­tier­te da­mals ei­ne ge­wis­se Ka­rin Struck (»Die Mut­ter«, »Lie­ben« etc.). Hand­ke hat sie mit ei­ner Re­zen­si­on im Spie­gel buch­stäb­lich ver­nich­tet. Ver­mut­lich war ihm das dann zu »au­to-«, zu selbst­be­züg­lich.
    Ich fürch­te, der Be­griff »Au­to­fik­ti­on« ist bei sol­chen Über­le­gun­gen nicht sehr hilf­reich.

  4. Wunsch­lo­ses Un­glück spielt auf zwei Ebe­nen. Zu­nächst ist es ein Ver­such, dem Le­ben der Mut­ter ei­ne ge­wis­se Ge­rech­tig­keit zu­kom­men zu las­sen. Und dann kommt die Ein­sicht, hier­an (zu­nächst) zu schei­tern – da­her der Satz, spä­ter Ge­naue­res schrei­ben zu wol­len. Es ist eben kei­ne »Au­to­fik­ti­on«, weil der Au­tor stän­dig im Re­fle­xi­ons­pro­zess und nicht im Be­richts­mo­dus ist; es ist »au­to­bio­gra­phisch«, in­so­fern die Schreib­mo­da­li­tä­ten des Au­tors ver­han­delt wer­den. Der Le­bens­weg, den er von sei­ner Mut­ter zeich­net, ist sub­jek­tiv – wie soll­te es auch an­ders sein.

    Dass die­ser Be­griff spä­ter erst in das deut­sche Feuil­le­ton schwapp­te, hat­te ich ge­schrie­ben. Mei­ne Idee war zu­nächst, MHs Buch als »Au­to­fik­ti­on« zu se­hen (ähn­lich wie bspw. Knaus­gaard mit sei­nem Min Kamp-Zy­klus). Aber das geht eben nicht, weil es hier über­haupt kei­ne Ab­strak­ti­on vom ei­ge­nen Ich mehr gibt.

    Der Hin­weis auf Ka­rin Struck ist sehr gut. Hand­ke re­zen­sier­te im Spie­gel sei­ner­zeit Die Mut­ter. Die Au­torin hat­te zu­vor mit Klas­sen­lie­be ei­nen gro­ßen Er­folg ge­habt. Er be­ginnt sei­nen Text denn auch mit dem vor­he­ri­gen Buch und stellt dann die Un­ter­schie­de fest: »Das Höchst­per­sön­li­che von ›Klas­sen­lie­be‹ hat sie in der ›Mut­ter‹ als Rol­le an­ge­nom­men – das Un­ge­ar­bei­te­te, Da­hin­ge­schrie­be­ne er­scheint jetzt als her­ge­stellt. An ›Klas­sen­lie­be‹ war nur der hin­zu­ge­füg­te Ti­tel sche­ma­tisch; ›Die Mut­ter‹ aber ist schon ein durch und durch sche­ma­ti­sches Buch das Höchst­per­sön­li­che als Sche­ma.« Die Fi­gu­ren spiel­ten, so der Kern­vor­wurf, »nur Rol­len mit längst be­kann­ten Ge­schich­ten«. (Dass Hand­ke am En­de per­sön­lich wird, ist na­tür­lich ein Af­front.)

    Das trifft ver­blüf­fen­der­wei­se auch auf das Buch von MH zu.

  5. Wird der sog. Au­to­fik­ti­on ir­gend­wo in der ein­schlä­gi­gen Li­te­ra­tur Be­richts­mo­dus zu­ge­schrie­ben? Re­fle­xi­on soll in Au­to­fik­ti­on kei­nen Platz ha­ben? Das leuch­tet mir gar nicht ein, ver­mut­lich wird man so­wohl bei Knaus­gaard als auch bei Er­naux je­de Men­ge da­von fin­den (z. B. der von Ih­nen ein­gangs zi­tier­te Satz von Er­naux).

  6. In ei­ner Au­to­fik­ti­on fin­det sehr viel we­ni­ger Ver­frem­dung statt als in ei­nem au­to­bio­gra­phisch grun­dier­ten Text. Das ist durch­aus ge­wollt. Hier­mit soll ei­ne mög­lichst gro­ße Au­then­ti­zi­tät und Nä­he zum Au­tor er­zeugt wer­den. Ich ha­be die­se Ver­frem­dung »Re­fle­xi­on« ge­nannt, weil sie auch im­mer ei­nen Ab­stand zur Fi­gur zur Fol­ge hat. (Der zi­tier­te Satz von Er­naux ist ein Mot­to, dass sie ih­rem letz­ten Buch vor­an­ge­stellt hat. Ich ken­ne ih­re Bü­cher nicht, ha­be aber ei­ni­ges von Knaus­gaard ge­le­sen.)

    Bei Knaus­gaard ist kaum noch zwi­schen rea­lem Er­eig­nis und Ver­frem­dung zu un­ter­schei­den. Das be­deu­tet na­tür­lich nicht, dass er sein Han­deln nicht be­denkt oder be­fragt.

    Den­noch gibt es fik­tio­na­le Ele­men­te (sonst wür­de es nicht Au­tofik­ti­on hei­ßen). In Hou­el­le­becqs Buch be­kommt man den Ein­druck, dass rein gar nichts fik­tio­nal ist. Und das ist im Ver­gleich zu sei­nen bis­he­ri­gen Bü­chern eben neu.

  7. Und wenn man ein­fach sagt, daß H.s Buch schwach ist? Daß es weh­lei­dig ist (wie Sie eh schrei­ben)? Rei­ne Au­to­bio­gra­phien wie z. B. die drei­bän­di­ge von Ca­net­ti ha­ben doch auch li­te­ra­ri­schen Wert, aber eben weil sie nicht weh­lei­dig sind, und nicht die ei­ge­nen Irr­tü­mer recht­fer­ti­gen wol­len. Oder neh­men Sie ein Buch wie »Auf­leuch­ten­de De­tails« von Pé­ter Ná­das, das ist groß­ar­ti­ge Li­te­ra­tur, groß­ar­tig er­zählt, aber – zu­min­dest be­haup­tet er das – kei­ne Fik­ti­on. Wäh­rend der Lek­tü­re ha­be ich mich oft ge­fragt, ob er tat­säch­lich die­se zahl­lo­se De­tails ret­ten­de Er­in­ne­rungs­kraft be­sitzt und ar­bei­ten läßt, oder ob nicht doch die Er­in­ne­rung ge­mein­sa­me Sa­che mit der Phan­ta­sie macht.

    (Tat­säch­lich kommt über­haupt kein Er­zäh­len, so­bald es grö­ße­re Bö­gen zieht, ganz oh­ne Fik­ti­on aus. Auch nicht münd­li­che Er­zäh­lun­gen.)

  8. War­um soll man denn nicht die Gen­re-Fra­ge stel­len dür­fen? Na­tür­lich gibt es im­mer Ver­wi­schun­gen, Aus­nah­men von Re­geln. Mit Bin­sen­weis­hei­ten kann man al­les tot­schla­gen. Reich-Ra­nicki hät­te ge­sagt, dass ihn das nicht in­ter­es­siert; ich hät­te schrei­ben kön­nen, dass das Buch schlecht ist. Ist das der An­spruch?

    Na­tür­lich kön­nen Au­to­bio­gra­phien li­te­ra­ri­schen Wert be­sit­zen. Au­to­fik­tio­nen auch. Das Buch von Ná­das ken­ne ich nicht (an­de­res von ihm fand ich lang­wei­lig, be­tu­lich). Es gibt ei­nen an­de­ren Au­tor, ei­nen so­ge­nann­ten »Pop-Li­te­ra­ten«, Wolf­gang Welt, der be­haup­te­te, dass al­les, was er auf­schrei­be, zu 99% wahr ge­we­sen ist. Aber hier kommt eben die Spra­che ins Spiel. Hou­el­le­becqs Buch hat schlicht­weg kei­ne Spra­che; sein Buch hat – Im Ge­gen­satz zu dem, was Sie über Ná­das schrei­ben – eben kei­ne »Phan­ta­sie«. Es in­ter­es­siert ihn ein­fach nicht. Das Buch dient le­dig­lich da­zu, ei­nen sich an­bah­nen­den Skan­dal (die Ver­öf­fent­li­chung ei­nes Por­no­films mit ihm in der Haupt­rol­le), zu ver­wäs­sern. Da­her macht er u. a. die be­tei­lig­te Frau her­un­ter, nennt sie »Sau«.

    Ei­nes ha­be ich al­ler­dings ver­ges­sen: Es ist ein schö­nes Co­ver.

  9. Wir knüp­fen hier fast schon zu vie­le Über­le­gun­gen an ein Büch­lein, das es wo­mög­lich nicht wert ist. Das Büch­lein selbst ha­be ich nicht ge­le­sen, wohl aber sonst vie­les von H. Und da drängt sich mir auf, daß vie­le sei­ner Haupt­fi­gu­ren oder au­tor­na­hen Fi­gu­ren res­sen­ti­ment­ge­la­den sind. Und wenn man ein paar bio­gra­phi­sche Da­ten über den jun­gen H. zu­sam­men­kratzt, liegt die Ver­mu­tung na­he, daß sich in­fol­ge sei­ner emo­tio­na­len Ver­nach­läs­si­gung in der Kind­heit und spä­ter durch die Er­fah­rung von Ar­beits­lo­sig­keit und Nicht-ak­zep­tiert-Sein sol­che Res­sen­ti­ments, z. B. ge­gen Frau­en, in ihm fest­ge­setzt ha­ben. Schon in den er­sten Ro­ma­nen sind die Frau­en oft »sa­l­o­pes«, Schlam­pen. An­schei­nend hat der Au­tor das nie über­wun­den, oder po­si­tiv ge­sagt: Er zehrt bis heu­te da­von. (Noch ein­mal po­si­tiv: sei­ne grund­le­gen­de Qua­li­tät ist, daß er ein in der Ge­sell­schaft ver­brei­te­tes Be­fin­den auf­ge­spürt und be­nannt hat, das bis da­hin kaum ei­ne Spra­che hat­te oder pein­lich oder ver­pönt war.)

    An­de­rer Zu­gang: Es gibt ja im­mer noch so et­was wie Do­ku­men­tar­li­te­ra­tur. Nicht nur so­zi­al en­ga­gier­te Au­toren ha­ben wel­che ge­schrie­ben, son­dern auch ein Da­vid Fo­ster Wal­lace. Sei­ne Re­por­ta­gen sind mir per­sön­lich lie­ber als sei­ne Ro­ma­ne, in de­nen er sich m. E. über­nimmt. Nur ist in sol­cher Do­ku­men­tar­li­te­ra­tur die Di­stanz wich­tig, es geht in der Re­gel auch nicht um den Au­tor selbst, und mo­ra­li­sche Ur­tei­le un­ter­blei­ben weit­ge­hend. Das al­les scheint »Ei­ni­ge Mo­na­te...« zu igno­rie­ren. Viel­leicht ist es das­je­ni­ge Buch von H., in dem ihm der me­dia­le Ef­fekt und das ei­ge­ne Image am wich­tig­sten ist? Die­ser Ge­sichts­punkt hat im Lauf der Jah­re bei H. über­hand ge­nom­men; das ist m. E. der ei­gent­li­che Grund sei­nes li­te­ra­ri­schen Nie­der­gangs.

  10. Ich ha­be ins­be­son­de­re sei­ne frü­hen Bü­cher im­mer als Sehn­suchts­ro­ma­ne ge­le­sen. Sehn­sucht nach in­di­vi­du­el­le Re­fu­gi­en des Mensch­li­chen. Sie strahl­ten ei­ne merk­wür­di­ge Lie­bes­be­dürf­tig­keit aus. Am En­de blieb dann häu­fig nur der Sex, der sich in Swin­ger-Clubs in al­len Va­ria­tio­nen zeig­te und das Letz­te blieb, was den Men­schen von Klo­nen zu un­ter­schei­den ver­moch­te. Der Schluß von Ver­nich­ten zeigt noch ein­mal die ro­man­ti­sche Sei­te.

    In Un­ter­wer­fung zeig­te er, wie kor­rum­pier­bar der mo­der­ne, aber me­ta­phy­sisch zu­tiefst un­zu­frie­de­ne In­tel­lek­tu­el­le sein kann. Ich ha­be es un­mit­tel­bar mit der Macht­über­nah­me der Na­zis 1933 in Ver­bin­dung ge­bracht, als die Ber­li­ner Aka­de­mie der Dich­tung in Win­des­ei­le Op­por­tu­ni­sten pro­du­zier­te. Dass Hou­el­le­becq ei­ne Is­la­mi­sche Re­pu­blik Frank­reich kon­stru­ier­te ver­an­lass­te die mo­ra­lin­saure Kri­tik, das Buch »isla­mo­phob« zu nen­nen, was es na­tür­lich nicht ist. Ähn­li­ches hät­te man auch bei ei­ner Prä­si­dent­schaft von Le Pen ge­schrie­ben. Der Kniff be­stand dar­in, dass die De­mo­kra­ten, die Le Pen ver­hin­dern woll­ten, ei­ne an­de­re Au­to­kra­tie in­stal­lie­ren hal­fen.

    Ele­men­tar­teil­chen und Un­ter­wer­fung sind die bei­den Ro­ma­ne, die blei­ben wer­den. Man ma­che sich nichts vor: Da­nach ist Hou­el­le­becq vor al­lem in In­ter­views bzw. im Mail-Aus­tausch mit an­de­ren be­kannt und vor al­lem be­rüch­tigt ge­wor­den. Man frag­te ihn kaum mehr nach sei­nen Fi­gu­ren, sei­nem Schrei­ben, son­dern woll­te po­li­ti­sche Kom­men­ta­re, je un­kor­rek­ter, de­sto bes­ser. Das ist das, was Sie als Image be­zeich­nen. Ich se­he ihn ir­gend­wo an ei­nem Rast­platz sit­zen und dar­über phi­lo­so­phie­ren (?), dass wir al­le nicht in ei­ner De­mo­kra­tie le­ben; die ge­be es nur in der Schweiz. Das ist das, was man von ihm hö­ren woll­te. Und er fällt dar­auf her­ein.

    Das neue Buch ist fast nur noch ein Kor­rek­tur­text, der sich zu An­schul­di­gun­gen (Is­lam) und Mut­ma­ßun­gen (Por­no) äu­ßert. Ihm ist, so scheint mir, ei­ne li­te­ra­ri­sche Kunst­fer­tig­keit ab­han­den ge­kom­men.

  11. Das war jetzt ei­ne al­ter­na­ti­ve bzw. er­gän­zen­de Re­zen­si­on, lie­ber Gre­gor Keu­sch­nig. Thx.