Me­di­en­a­vant­gar­de bei der Ar­beit

Ge­stern um 20.00 Uhr wa­ren es 1076. Heu­te, 02.04.2020, 10.30 Uhr, sind es 2679 Fol­lower, die dem »of­fi­ci­al ac­count« von Pe­ter Hand­ke auf Twit­ter fol­gen. Nicht, dass es der er­ste Ac­count »von« Hand­ke ist. Es gibt min­de­stens ein hal­bes Dut­zend al­lei­ne auf Twit­ter.

Hier ist es schein­bar neu, weil je­mand »of­fi­ci­al« drü­ber­ge­schrie­ben hat. Dann muss es ja stim­men. Dass Twit­ter die­ses blaue Häk­chen für (ver­meint­lich) Pro­mi­nen­te an­wen­det – ge­schenkt. Das je­mand wie Hand­ke mit sol­chen Me­di­en nie ar­bei­ten wür­de – wie soll man das wis­sen?

Na­tur­ge­mäß fin­den sich vie­le wei­te­re Jour­na­li­sten un­ter den er­sten Fol­lo­wern des fal­schen Hand­ke. Die Ko­ry­phä­en fal­len rei­hen­wei­se auf den fal­schen Ac­count her­ein. So der Blau­ha­ken Flo­ri­an Klenk, Chef­re­dak­teur des Wo­chen­ma­ga­zins »Der Fal­ter«, der als ei­ner der er­sten den »Handke«-Tweet »My first time on Twit­ter. Very hap­py to be he­re!« an sei­ne 248.000 Fol­lower wei­ter­gibt. Oder Rai­ner No­wak, Chef­re­dak­teur »Die Pres­se« (oh­ne Ha­ken). Auch Spass­vö­gel­chen und Rei­me­schmied Jan Böh­mer­mann. Me­di­en­a­vant­gar­de, die nur noch geist­los her­um­klickt.

Wer An­schau­ungs­un­ter­richt braucht, wie sich Fakes pan­de­mie­ar­tig aus­brei­ten, wird hier be­stens be­dient. »Der Stan­dard«, Öster­reichs »Qua­li­täts­zei­tung« (was man im Herbst im Fall Hand­ke deut­lich se­hen konn­te) blen­det die ir­ren­de Jour­na­li­sten­schar aus und kon­zen­triert sich auf ei­ne mir bis­her un­be­kann­te Frau Kneissl, die ein­mal öster­rei­chi­sche Au­ßen­mi­ni­ste­rin ge­we­sen sein muss und ver­mut­lich nicht die hell­ste Ker­ze im da­ma­li­gen Dun­kel­ka­bi­nett ge­we­sen sein dürf­te. So gibt es noch ein biss­chen Hä­me, wäh­rend der­weil der nicht durch Hand­ke-Lek­tü­re kon­ta­mi­nier­te Pö­bel ei­ne La­dung Gül­le aus­schüt­ten darf.

Man hät­te ihn viel­leicht auch mal an­ru­fen kön­nen. Dann hät­te man er­fah­ren, dass er gar nicht weiß, was Twit­ter ist. Und ihm dies zu er­klä­ren ist nicht ein­fach, weil er so­fort nach dem Sinn fragt. Aber wen es in­ter­es­siert: Es geht ihm gut.

(Ach ja: Wer Links sucht, mag sel­ber su­chen. Ich ver­brei­te den Dreck nicht.)

14 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ich auch. Aber mit ei­nem sol­chen Fake-Ac­count kann man ganz schön Scha­den an­rich­ten. Au­ßer­dem zeigt sich wie­der ein­mal die Gü­te des Jour­na­lis­mus.

  2. Goe­the hat­te sei­nen Ecker­mann, Hand­ke hat sei­nen Keu­sch­nig. »He­gel be­merk­te ir­gend­wo, daß al­le gro­ßen welt­ge­schicht­li­chen Tat­sa­chen und Per­so­nen sich so­zu­sa­gen zwei­mal er­eig­nen. Er hat ver­ges­sen, hin­zu­zu­fü­gen: das ei­ne Mal als Tra­gö­die, das an­de­re Mal als Far­ce.« (Karl Marx, »Der acht­zehn­te Bru­mai­re des Lou­is Bo­na­par­te«)

  3. Der Spass hör­te in dem Mo­ment auf, als von Face-Ac­count die To­des­nach­richt ei­ner noch le­ben­den Per­sön­lich­keit ver­kün­det wur­de.

    In­zwi­schen ist er vom Netz.

  4. Ich weiß nicht, ob Ih­nen »gut ge­schrie­ben« als Kom­pli­ment zu­sagt. Da­her sa­ge ich: »bien en­voyé«...

  5. Hand­ke hat we­der ei­nen Computer/Laptop noch ein Smart­phone, kei­ne ei­ge­ne Home­page und ist per­sön­lich nicht in so­zia­len Netz­wer­ken ein­ge­bun­den. Da­für hat er aber ei­ne gan­ze Men­ge Blei­stif­te! Fake News = igno­rie­ren!

  6. Igno­rie­ren wä­re gut, aber wenn der Chef­re­dak­teur des auf­la­gen­stärk­sten öster­rei­chi­schen Nach­rich­ten­ma­ga­zins (der nicht zu wis­sen scheint, dass Hand­ke gar kein Smart­phone und/oder Com­pu­ter be­sitzt) die­ses Fake un­ge­prüft an sei­ne 248.000 Fol­lower ver­brei­tet muss man das lei­der ernst neh­men. Zu­mal ge­stern der Fäl­scher noch ei­ne fal­sche To­des­nach­richt in die Welt setz­te...

    In­zwi­schen ist das Ding ja ge­löscht.

  7. Was mich we­der über­rascht noch ver­wun­dert. Kei­ner der bei­den ist mir als Li­te­ra­tur­in­ter­es­sier­ter be­kannt und au­ßer­dem müss­te ja gel­ten, dass man liest und prüft, was man wei­ter­lei­tet...

    Kneissl ist kei­ne un­in­ter­es­san­te Per­son, je­mand der auch Po­si­tio­nen ver­tritt, die nicht dem Main­stream ent­spre­chen, sie lehrt (oder lehr­te) an der di­plo­ma­ti­schen Aka­de­mie (sie spricht fünf Spra­chen, dar­un­ter Ara­bisch und be­sitzt Kennt­nis­se in zwei wei­te­ren). Sie war par­tei­lo­se Au­ßen­mi­ni­ste­rin (und ich mei­ne da­für auch qua­li­fi­ziert).

  8. Ja, mag sein, soll sein. Aber wenn ich mir vor Au­gen hal­te, wie oft ich schon ein­mal lu­stig oder ko­misch da­stand. Ich glau­be, das sind fal­sche Prio­ri­tä­ten.

  9. Sie steht wohl min­de­stens in Öster­reich noch in der Öf­fent­lich­keit, da soll­te man we­nig­stens an­dert­halb mal hin­se­hen, be­vor man sich der­art lä­cher­lich macht.

    Mir geht/ging es we­ni­ger um die­se Da­me (die ich, wie ge­sagt, gar nicht kann­te – erst nach­träg­lich wur­de mir klar, dass es je­ne ist, die Pu­tin auf ih­rer Hoch­zeit ein­ge­la­den hat­te), son­dern um die Jour­na­li­sten, die die­sen ver­meint­li­chen Ac­count ei­nes No­bel­preis­trä­gers kri­tik­los wei­ter­ver­brei­ten. Und um de­ren Me­di­en­kom­pe­tenz.

  10. In­zwi­schen ist der Fake-»Artist« ge­fun­den: Es ist ein ge­wis­ser Tom­ma­so Debe­ne­det­ti. Und ich glau­be mich zu er­in­nern, dass ir­gend­wo auch ein­mal die­ser Na­me stand...bevor er dann ent­fernt wur­de.

    Hier ist ein Text da­zu (den ich auch nicht ganz le­sen kann, aber al­le In­di­zi­en spre­chen da­für). Er wird dort als »Kopf des ta­ges« vor­ge­stellt. »Dumm­kopf« (oder ähn­li­ches) wä­re pas­sen­der.

    Die eng­li­sche Wi­ki­pe­dia kennt ihn auch. Sel­ber hat er nur 52 Fol­lower auf Twit­ter. Sei­nen Ac­count be­dient er seit acht Jah­ren nicht mehr. Man fin­det dort noch die To­des­bot­schaft von Mick Jag­ger.

    Er­gän­zung 08.04.2020, 12.15 Uhr: Hier auch et­was über den »Mei­ster­fäl­scher«. Fast schon ein biss­chen zu viel Ehr­furcht...