Essay zur Geschichte islamischer Reformbewegungen
1. Islamische Reformbewegungen
Islam-Fundamentalismus, Re-Islamisierung und »Islamismus« sind Schlagworte für islamische Reformbewegungen. »Reform« meint in den Offenbarungsreligionen (Parsismus, Judentum, Christentum, Islam) die Rückkehr zur »Reinform« der religiösen Lehre auf Grundlage der geoffenbarten Texte. Es handelt sich also stets um eine »Schriftfrömmigkeit«, wie auch im reformatorischen Christentum die Rückkehr zur Schrift als »Bibeltreue« verstanden wird.
Im Gegensatz zum Christentum kennt der Islam keine große Reformbewegung wie die lutherische, calvinistische oder zwinglianische Reformation. Dagegen gibt es von alters her kleinere Strömungen und »Sekten« (im Sinne von islamischen Schulen), die zurück wollen zu einem »reinen Islam« als Gegenbild des offiziellen, des »Kalifat-Islams«, der als »verderbt« abgelehnt wird. Kennzeichnend für diese Sektierer ist die Vermischung von Religion und religiöser Kultur mit politischen Zielen (was sie wiederum von der ursprünglichen christlichen Reformation unterscheidet): islamische Reformbewegungen münden von jeher in politischen Aktivismus.
Anstelle des Begriffs Reformbewegung spricht die westliche Welt – allerdings in zunehmend ideologisierender Weise – von »Islamismus« oder einer »Fundamentalbewegung«, u.a. um positive Konnotationen, die im Westen mit dem Wort »Reform« verbunden sind, gar nicht erst aufkommen zu lassen.