The in­ward spi­ral II

[Ein nie statt­ge­fun­de­ner Pod­cast mit Till Rei­ners und Mo­ritz Neu­mei­er]

Du, Mo­ritz, ich muss mit dir über Fe­mi­nis­mus re­den.

- Och ne, da hab’ grad echt kei­nen Bock mehr drauf.

- Ja wie jetzt? Ha­ste dich nicht für ar­te als fe­mi­ni­sti­schen Mann ab­lich­ten las­sen?

- Da steh’ ich auch zu. Zieh’ wei­ter mei­ne Röcke an und sol­len die wei­ter ih­re Jau­che in die Kom­men­tar­spal­ten er­gie­ßen über den Prin­zen aus Wo­ki­stan.

- Das ist nur Be­stä­ti­gung. Ver­steh’ ich. Auch, dass man das The­ma dann zwi­schen­durch über hat. Aber bei mir ha­ben die 80er an­ge­klin­gelt.

- Wie in der heu­te Show noch in so ei­ne gel­be Te­le­fon­box?

- Ach noch alt­backe­ner als Poe­tik­vor­le­sung von Chri­sta Wolf. Und auch wenn die 1982 in mei­nem Ge­burts­jahr war, al­so noch viel zu früh als, dass ich das schon mit­be­kom­men ha­ben könn­te.

- Ja, was denn nu?

- Na, da lie­fen auf ein­mal so Strän­ge zu­sam­men, das ich dach­te, aha! Da kom­men ge­wis­se Prä­gun­gen her. Auch un­er­klär­li­che emo­tio­na­le Vor­ein­ge­nom­men­hei­ten. Ge­gen die Er­obe­rer von Troia zum Bei­spiel (»Achill, das Vieh«). Das ist aus die­sem Buch. Und ich hab dann spä­ter oder war das doch da­vor, so Dar­stel­lun­gen von der Sie­ger­sei­te mit ih­ren strah­len­den Hel­den ge­le­sen und sie in­stink­tiv für Ab­schaum ge­hal­ten.

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The in­ward spi­ral I

Kas­san­dra – muss­te die Lek­tü­re ab­bre­chen. Die­se Sät­ze fuh­ren mir durch Mark und Bein: »Wer wird, und wann die Spra­che wie­der­fin­den. Ei­ner, dem ein Schmerz den Schä­del spal­tet, wird es sein [..]«. Die­se Sät­ze sind tief in mir, nur ver­schütt’ ge­gan­gen: ich hat­te ganz ver­ges­sen, dass sie von dort stamm­ten. Fah­rig blät­ter­te ich noch et­was ...

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Wenn der Post­man mehr­fach klin­gelt

Mit »Amusing our­sel­ves to de­ath»1 stellt Neil Post­man ei­ne wich­ti­ge Grund­fra­ge: Wirkt das Me­di­um auf sei­ne In­hal­te zu­rück? In der Haupt­sa­che kon­tra­stiert Post­man dann zwei un­ter­schied­li­che Me­di­en­wel­ten: die Ty­po­gra­phi­sche der Zei­tun­gen und Bü­cher ge­gen die Pik­to­gra­phi­sche des Fern­se­hens. Nach Post­man be­din­gen die li­ne­ar-fort­schrei­ten­den Schrift­me­di­en ei­ne an­de­re Kon­sum­wei­se als die Be­wegt­bil­der. Sie be­nö­tig­ten ei­ne län­ge­re Auf­merk­sam­keits­span­ne, set­zen ge­wis­se dis­kur­si­ve Vor­kennt­nis­se vor­aus und ziel­ten von sich aus auf Ganz­heit und Ko­hä­renz. In der Fernseh»kultur« hin­ge­gen wer­de der Be­trach­ter nur in ei­nen vi­su­el­len Rausch im­mer neu­er Rei­ze oh­ne grö­ße­ren Sinn und Ein­heit ver­setzt, was letzt­lich un­ser frag­men­tier­tes ADHS-Hirn er­zeu­ge.

Dies ist nun der drit­te An­lauf mei­ne Ge­dan­ken zum Post­man­schen Pam­phlet zu ver­schrift­li­chen, aber viel­leicht ist mein graue Mat­sche auch schon zu ver­pi­xelt, um die­ses Vor­ha­ben je zu be­en­den.

1. Die Sa­pir-Whorf-The­se der Me­di­en­kri­tik

Wei­ten wir zu­nächst ein we­nig den Blick, um die All­ge­mein­heit der Post­man­schen The­se zu er­fas­sen. Es gibt, so den­ke ich, al­ler­orts ähn­lich ge­ar­te­te An­sät­ze. So zum Bei­spiel in der Wall­raff­schen Kri­tik der Bild­zei­tung, in wel­cher er Post­man ähn­lich das Por­trät ei­nes Me­di­ums zeich­net, das al­le in ihm ge­druck­ten In­hal­te ver­zerrt und ent­stellt. Auf noch fun­da­men­ta­le­re Wei­se stell­ten Sa­pir-Whorf die The­se auf, dass so­gar die Gram­ma­tik un­se­rer Spra­che die Welt­sicht prä­ge. Auch wenn die The­se wis­sen­schaft­lich mei­nes Wis­sens nicht un­be­dingt un­an­ge­foch­ten blieb, wur­de sie ähn­lich ver­hee­rend po­pu­la­ri­siert wie Gö­dels Un­voll­stän­dig­keits­sät­ze, so dass heu­te die Be­dingt­heit un­se­res Welt­bil­des von un­se­rer Spra­che schon die Spat­zen von den Dä­chern pfei­fen; mei­stens mit dem Fehl­verweis auf die hun­der­te Schnee­wör­ter der Es­ki­mos. Am weit­rei­chend­sten fin­det sich die­ser Denk­an­satz wohl ver­wirk­licht in dem Dik­tum, dass kein rich­ti­ges Le­ben im Fal­schen mög­lich sei. Das »Me­di­um« fin­det sich hier ge­wei­tet zu den »sy­ste­mi­schen, ka­pi­ta­li­sti­schen Um­ge­bungs­ge­ge­ben­hei­ten«, die je­den exi­sten­zi­el­len Aus­druck, den wir su­chen könn­ten, not­wen­dig ver­fäl­schen.

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  1. "Wir amüsieren uns zu Tode", 1985