An­drzej Sta­si­uk: Grenz­fahrt

Andrzej Stasiuk: Grenzfahrt

An­drzej Sta­si­uk:
Grenz­fahrt

Und wie­der der Aus­ruf: End­lich ein neu­es Buch von An­drzej Sta­si­uk! Wie schon die Bes­ki­den-Chro­nik (deutsch 2020) ist Grenz­fahrt ein Hy­brid, aber dies­mal kei­ne Mi­schung aus Feuil­le­tons und Rei­se­be­rich­ten. Im Zen­trum steht zu­nächst ein dra­ma­ti­sches Kam­mer­spiel, kurz vor »Pe­ter und Paul« im Ju­ni 1941 und man ist am Bug, dem Grenz­fluss zwi­schen Po­len und der So­wjet­uni­on (heu­te Be­la­rus bzw., im Sü­den, der Ukrai­ne). Po­len exi­stiert prak­tisch nicht mehr, wur­de von Na­zi-Deutsch­land über­rollt (und da­nach mit der So­wjet­uni­on ge­teilt) und die pol­ni­sche Ar­mee exi­stiert eben­falls nicht mehr, oder nur noch in Tei­len.

Si­wy ist Zug­füh­rer ei­ner pol­ni­schen Par­ti­sa­nen-Mi­liz; sei­ne »Sol­da­ten« sind fast noch Jungs, zwar wil­lig und ihm er­ge­ben, aber un­be­darft und da­her zu­wei­len ge­fähr­lich. »Es ist Krieg« wird zur Pa­ro­le für mo­ral­be­frei­tes Han­deln, zum Über­le­bens­mot­to (hier kom­men Er­in­ne­run­gen an Brecht auf), zur Aus­re­de. Zu­nächst be­ob­ach­ten sie noch die ewig lan­gen deut­schen Kon­vois in Rich­tung Osten, nichts ah­nend, was dies zu be­deu­ten hat. Das bis­wei­len Ko­mi­sche in den Dia­lo­gen schlägt im­mer wie­der in Dra­stik und Bru­ta­li­tät um. Der Krieg macht aus ei­gent­lich um­gäng­li­chen Men­schen, die ih­re Ge­schich­ten aus der Zeit des Frie­dens fast be­schwö­ren wie Mär­chen, ego­isti­sche, un­be­re­chen­ba­re und ge­walt­tä­ti­ge Mon­ster.

Je­der ist ge­gen je­den: Die lo­ka­len Bau­ern weh­ren sich mit Ge­walt ge­gen die Par­ti­sa­nen, die­se ha­ben Angst vor den Deut­schen und dem »Iwan« auf der an­de­ren Sei­te des Flus­ses. In den Wäl­dern und Scheu­nen ver­stecken sich Flücht­lin­ge wie Max und Do­ris, ein jun­ges, jü­di­sches Ge­schwi­ster­paar, aus (einst) rei­chem Haus. Sie wol­len über den Fluss in die So­wjet­uni­on und dann wei­ter bis nach Bi­ro­bidschan, in der Nä­he der so­wje­tisch-chi­ne­si­schen Gren­ze, aber Lub­ko, der knor­ri­ge Fähr­mann, der schon vie­le »Jid­den« ge­gen Geld über den Fluss trans­por­tiert hat, fährt nicht bei Voll­mond, weil er nicht Ziel­schei­be sein möch­te. Da hilft auch das Geld nicht.

Den voll­stän­di­gen Text »Zu den Ufern des Bug« bei Glanz und Elend le­sen.