Ca­ro­li­ne Wahl: Die As­si­sten­tin

Caroline Wahl: Die Assistentin
Ca­ro­li­ne Wahl: Die As­si­sten­tin

Char­lot­te Scharf ist 1996 ge­bo­ren, Ein­zel­kind, obe­re Mit­tel­schicht, aus dem Speck­gür­tel um Köln, ab­ge­schlos­se­nes Ma­ster-Stu­di­um. Sie be­wirbt sich als As­si­sten­tin des Ver­le­gers ei­nes re­nom­mier­ten Münch­ner Ver­lags. Es soll wohl ei­ne Art Eman­zi­pa­ti­on vom El­tern­haus sein, vor al­lem von der Mut­ter, mit der sie ei­ne Hass­lie­be ver­bin­det. Aber wahr­schein­lich, so wird der Le­ser von Ca­ro­li­ne Wahls Ro­man Die As­si­sten­tin zu Be­ginn von der all­wis­sen­den Er­zäh­le­rin be­lehrt, war es halt nur ihr Va­ter­kom­plex, der sie zur Be­wer­bung ver­an­lass­te. In je­dem Fall aber ei­ne »rie­sen­gro­ße Fehl­ent­schei­dung«. Oder doch nicht?

Der de­si­gnier­te Chef heißt Ugo Mais­el, ein Münch­ner Le­be­mann, ehe­ma­li­ger Ten­nis­spie­ler (Platz 348 auf der ATP-Welt­rang­li­ste und 1 x Agas­si ge­schla­gen), Buch­au­tor (mä­ssi­ger bis gar kein Er­folg) und jetzt führt er die­sen Ver­lag. Er hat ei­ne Nar­be im Ge­sicht (ei­nen Schmiss?), sieht sehr kränk­lich aus und es be­ginnt der Haar­aus­fall. Char­lot­te er­hielt ei­ne Zu­sa­ge, al­ler­dings für ei­nen et­was an­de­ren, zweit­ran­gi­ge­ren As­si­sten­tin­nen­job, aber das war ihr egal. Sie zog nach Is­ma­ning in ein Ste­phen-King-ähn­li­ches Haus, in dem un­ter an­de­rem im Jahr ih­rer Ge­burt ei­ne Lei­che ge­fun­den wor­den war, aber im­mer­hin war die Woh­nung am Was­ser und das war ihr wich­tig.

Was nun folgt ist ei­ne mehr oder we­ni­ger chro­no­lo­gi­sche Schil­de­rung von Char­lot­tes As­si­sten­tin­nen­tor­tur von Sep­tem­ber bis Fe­bru­ar, mit vie­len Hö­hen und Tiefs und vor al­lem et­li­chen me­ta­fik­tio­na­len Ein­schü­ben, die rasch er­ken­nen las­sen, dass hier ei­ne Au­torin auch das ziel­ge­rich­te­te Schrei­ben ih­res Ro­mans hin zu ei­nem Best­sel­ler the­ma­ti­siert. So über­legt sie auf Sei­te 110, wie sie den Text von ei­ner Er­zäh­lung oder No­vel­le (nicht so ganz markt­kon­form) in ei­nen Ro­man über­füh­ren kann. Und schreibt noch 250 wei­te­re Sei­ten (statt viel­leicht nur wei­te­re 100). Pas­send da­zu dich­tet sie Char­lot­te ei­ne Lie­bes­af­fä­re an (er heißt Bo), da­mit es wei­ter­geht. Oder sie fällt sich ins Wort, wenn es zu viel oder zu we­nig an­ek­do­tisch zu wer­den droht. Als wä­re das nicht ge­nug, baut sie auch noch in­ner­halb der num­me­rier­ten Ka­pi­tel klei­ne­re Cliff­han­ger ein, die je nach La­ge bald gro­ße oder min­de­stens mitt­le­re Ka­ta­stro­phen an­deu­ten oder er­läu­tern, dass ei­gent­lich er­wart­ba­re Ka­ta­stro­phen vor­erst aus­blei­ben.

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