
Hugo von Kupffer (1853–1928) entstammte einer baltisch-deutschen Adelsfamilie. Der Vater war Physiker und Meteorologe. 1858 zog die Familie dauerhaft von St. Petersburg nach Dresden um. Nach dem Abitur studierte von Kupffer zunächst Medizin, dann »Schöne Wissenschaften«, also Literatur. Beide Studiengänge brach er ab. In ihm reifte für kurze Zeit der Wunsch, Schriftsteller zu werden. Familiäre Angelegenheiten führten ihn zwischen 1875 bis 1879 in die USA. Er arbeitete beim »New York Herald« und lernte das amerikanische Pressewesen kennen. Hier zählte der Tatsachenbericht, die Unmittelbarkeit des Erlebnisses mehr als ein kritischer oder philosophisch angehauchter Kommentar. Nach seiner Rückkehr ging er nach Berlin und traf dort Alfred Scherl, der eine neue Zeitung gründen wollte. Schnell wurde man sich handelseinig: Von Kupffer wird – mit 30 Jahren – Chefredakteur vom »Berliner Lokal-Anzeiger«. Die erste Ausgabe erscheint am 4. November 1883. Die Position wird von Kupffer ungeachtet des späteren Verlegerwechsels (1914 übernimmt das Imperium von Alfred Hugenberg den »Lokal-Anzeiger«) bis zu seinem Tod insgesamt 45 Jahren ausüben.
Der »Berliner Lokal-Anzeiger« verstand sich als unpolitisch und »überparteilich« und richtete sich an »alle Schichten der Gesellschaft«. Der Leser sollte »von den wichtigsten Vorkommnissen im Staat und in der Stadt in Kenntnis« gesetzt werden. Schnell entwickelte er sich zu einer »der meistgelesenen Tageszeitungen Berlins und damit zu einer festen Institution« des boomenden Berlin. 1911 betrug die Auflage 300.000 Exemplare (bei rd. 2 Millionen Einwohnern).
All diese Informationen entnimmt man dem instruktiven Nachwort von Fabian Mauch zum Sammelband von Hugo von Kupffers »Reporterstreifzüge« (eigentlich »Reporter-Streifzüge«). Mauch ist auch Herausgeber. Wir lernen, dass die meisten Texte im »Lokal-Anzeiger« ohne Nennung des Verfassers publiziert wurden. Für seine Reportagen verwendete von Kupffer das Pseudonym des »Berliner Beobachters«. Er wollte, wie es im Untertitel heisst, »ungeschminkte Bilder aus der Reichshauptstadt« liefern. Im von Mauch herausgegebenen, im Düsseldorfer Lilienfeld-Verlag aufgelegten Buch, sind insgesamt 25 Reportagen abgedruckt. Diese waren zwischen 1886 und 1888 und dann nochmals, in einer Art zweiter Staffel, zwischen 1890 und 1892, verfasst worden. Änderungen zum Original erfolgten nur sehr sparsam und in eindeutigen Fällen. Es wurde auch die Orthographie der damaligen Zeit beibehalten, was zunächst manchmal stutzen lässt. Man gewöhnt sich dann jedoch verblüffend schnell.