
Das Ende von Eddy
Édouard Louis hieß ursprünglich Édouard Bellegueule, und gerufen wurde er »Eddy«. So steht es im autobiographischen Roman, den der Autor 2012 in Paris veröffentlichte, und auch in der Wirklichkeit verhält es sich so. »Schönmaul«, mit diesem Namen ist das Kind gestraft; die entsprechenden Wortspiele werden gleich zu Beginn des Romans zitiert. Édouard Louis, 22, hat sich von den Fesseln seiner Herkunft befreit, indem er dieses Buch schrieb. Die Befreiung hat auch einen finanziellen Hintergrund, denn der junge Autor entstammt einer Schicht, die man als neues Lumpenproletariat bezeichnen könnte, und sein Erstling war in Paris ein Bestseller. Die Vorgeschichte seiner Befreiung kann man in Das Ende von Eddy nachlesen. Schon der Titel weist darauf hin: Eddy Bellegueule gibt es nicht mehr. Die Niederschrift und Veröffentlichung des Romans ist gleichbedeutend mit seiner Vernichtung.
En finir avec Eddy lautet der Titel im Original. Hinrich Schmidt-Henkel, ein außerordentlich gewandter Übersetzer, der viele sprachliche Register zu ziehen versteht, bildet den von Louis häufig zitierten nordfranzösischen Soziolekt geradezu lustvoll nach – beim Titel scheint er mir aber etwas schmähstad gewesen zu sein (oder hat ihn ein Lektor behindert?). »Schluß mit Bellegueule« würde passen und käme dem Original näher. Die Erzählung selbst hat etwas Gewalttätiges, nach dem Selbstverständnis des Autors handelt es sich um Gegengewalt gegen das gewalttätige System. Die davon Betroffenen und (im Buch) Beschriebenen beziehen die literarische Gewalt aber auf sich selbst: Der will uns vernichten! Mitsamt seinem Eddy will Louis auch die Umgebung zerstören, in der er aufgewachsen ist, also die konkreten Menschen im Dorf Hallencourt. Mach kaputt, was dich kaputt macht. Literatur gegen Verrohung. Verrohung gegen Literatur, gegen die Schwulen, gegen die Weicheier.