
Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen
Der Deutsch-Argentinier (oder Argentinien-Deutsche) Jivan Haffner Fernández ist Bunkerarchitekt, Anfang 40 und lebt in Berlin. Er ist verheiratet mit der 39jähigen Jo Lewandowski Fridman. Jivan braucht Geld, die Geschäfte gehen schlecht und er hat immense Spielschulden, denn sein Hobby ist Online-Poker. Auch Jos Aktivitäten zeichnen sich dadurch aus, dass sie Geld kosten und wenig bis nichts einbringen. Sie ist eine »Bessere-Welt-Aktivistin«; vermutlich zunächst auf Basis dessen, was man Ehrenamt nennt. Im Laufe des Romans »Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen« durchläuft Jo das Casting aller wichtigen, multinationalen Weltrettungsorganisationen, die auf diesem Planeten nicht mehr so ganz einflusslos sind.
Denn Emma Braslavskys Buch spielt in einer Zukunft, die von allen politischen und sozialen Unruhen gereinigt scheint. Es muss um das Jahr 2050 sein, in Lublin ist gerade der zehnmilliardste Mensch geboren worden. Die Vereinten Nationen haben mehr oder weniger die Durchsetzungsmacht übernommen, obwohl die Nationalstaaten weiter existieren. Auf dem Markt der Idealisten konkurrieren keine Kirchen mehr mit- oder gegeneinander, sondern weltweit vor allem zwei Organisationen: »BetterPlanet« und »Life from Zero«. Diese liefern sich einen erbitterten Kampf um Mitglieder und vor allem Geldgeber. Zu Beginn möchte Jo Pressesprecherin der multinationalen Tierrechtsorganisation »Animal for Rights« werden (»der Mensch ist laut Satzung der Organisation ‘ein böses Tier‘«) und trifft sich hierzu mit den beiden Gründern in einem – selbstredend – veganen Restaurant. Auch Jivan stößt dazu; er hatte sich etwas verspätet, weil er zum einen noch einen Döner bei seinem Freund Ediz gegessen hatte und zum andern seine alte Ledertasche noch verstecken musste, um keinen Argwohn bei den Tierrechtlern zu erregen.
Die Heucheleien gelingen Jivan prächtig. Zwischen »Reismilch-Salbei-Kümmel-Brühe« und »auf Palmenblättern gegrilltes Pilzassortment« unterbreitet Jivan den tatsächlich ernsthaft diskutierten Vorschlag, wonach Menschen und Tiere künstliche Einhörner tragen sollten (daher das Cover). Es ist gekonnt und vergnüglich, wie Braslavsky dieses Szenario in einer Mischung aus Loriot und Joachim Zelter inszeniert und der Leser bekommt einen Vorgeschmack auf Jos Ehrgeiz und Vitalität, auch noch den größten Unsinn in ihre Weltrettungspläne mindestens ins Kalkül zu ziehen.