[hier Teil I]
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LOOK! Das sagt, ganz traditionell, seit Jahrhunderten, das Dirndlkleid, das sich seit einigen Jahren wieder großer Beliebtheit erfreut, nachdem es lange Zeit (und zu unrecht) als Symbol erzkonservativer Sitten verpönt war.
»Schau mich nicht an!« sagt die deutsche Journalistin Laura Himmelreich in ihrem Artikel über einen, nun ja, konservativen oder liberalen oder egalwas Politiker; wahrscheinlich ist er nur Mittelmaß, Produkt einer öden politisch-moralischen Kultur. Der Politiker hat sie angeschaut; mit den Worten der Journalistin: »Brüderles Blick wandert auf meinen Busen.« Der Kommentar des gesprächigen Mannes, der wohl schon ein paar Gläser getrunken hat: »Sie könnten ein Dirndl ausfüllen.« Die Bemerkung, durchaus ein wenig geistreich, ist ihm vermutlich deshalb eingefallen, weil die Journalistin kurz zuvor gemeint hatte, auf dem Oktoberfest würde sie schon mal Alkohol trinken; in der Hotelbar, wo die Szene spielt, trinkt sie – figurbewußt? – Cola Light. Der Flirt, den der Mann in der Folge versucht, ist ziemlich mühsam, für die Frau wohl unangenehm, das kann ich gut nachvollziehen, zumal der Altersunterschied zwischen den beiden fast vier Jahrzehnte beträgt. Himmelreich könnte gut und gern Brüderles Enkelin sein.
Die Szene in der Hotelbar und der Bericht darüber, der Privates öffentlich macht und die politischen Qualitäten oder Mängel des Politikers auf sich beruhen läßt, wurde in den Medien und in der deutschen Bevölkerung endlos kommentiert, und auch Überdruß angesichts des medialen Blablas wurde unermüdlich geäußert. Im Internet berichten Frauen seitdem tonnenweise – ach ja, das Internet hat gar kein Gewicht – von Erfahrungen, die sie dem grassierenden Sexismus zuordnen. Meistens zu recht, aber in manchen Wortmeldungen kommt ein mehr oder minder starkes Maß an Paranoia zum Ausdruck. Wo Menschen verbal, mitunter auch tätlich verfolgt werden, lauert unweigerlich die Verfolgungsangst. Die männlichen Sätze und Gesten, von denen diese Frauen erzählen, sind unglaublich dumm, beschämend, meistens wohl auch kontraproduktiv. In einem Buch der amerikanischen Journalistin Hanna Rosin, über das ich später noch einiges sagen werde, treten Karrierefrauen auf, die, nach Sexismus am Arbeitsplatz befragt, meinen, diese Dinge solle man einfach ignorieren, das Verhalten solcher Männer sei einfach nur lächerlich. Nicht jede ist freilich so eine starke, selbstbewußte Frau, und auf der Straße, in Umgebungen, die man nicht so genau einschätzen kann, ist es viel schwieriger, die Sätze und Gesten einfach an sich abprallen zu lassen.
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