Nach wenigen Sekunden bereits die Äusserung in einer der sehr kurzen Eingangsstatements von anderen Politikern. Schäuble mit einer Spur Anerkennung in der Stimme: Angela Merkel sei jemand, der sich erst im letzten Moment festlege. Man beeilte sich, das als Fähigkeit, anderen zuzuhören zu erklären; umzudeuten. In Wirklichkeit heisst das, Merkel ist ein Machtmensch. Hugo Müller-Vogg, von der FAZ zur »Bild« Gefallener, bezeichnete sie als »Kontrollfreak«.
Die beiden engsten Mitarbeiterinnen Merkels (Eva Christiansen und Beate Baumann) dürfen nur kurz gezeigt werden; keine Interviews. Seit geraumer Zeit keine Bilder mehr aus dem Flugzeug. Angeblich soll die Privatsphäre geschützt werden. Aber sich in Indien mit einem scheinbar geistig behinderten Kind filmen zu lassen, als gute Helferin – das ist plötzlich keine Privatsache mehr.
Es gibt einen neuen Staat auf dieser Welt. Nanu, werden Sie sagen – hat sich das Kosovo jetzt schon unabhängig erklärt? Nein, das Kosovo ist es nicht. Es ist »Lakota Country«. Mitten in den Vereinigten Staaten von Amerika. Eine Sezession.
Am 19.12.2007 haben die Lakota Sioux alle Verträge mit den USA gekündigt; das Ende von »150 Jahren Kolonialismus«, wie es in der Erklärung heisst. Dies sei, so wird versichert, völkerrechtlich vollkommen legal. Den Botschaften von Bolivien, Venezuela, Chile und Südafrika sei die Erklärung bereits übergeben worden; Irland und Osttimor hätten schon »Interesse« gezeigt. Den Vereinten Nationen und anderen Ländern würde sie noch zugehen.
Irgendwo habe ich mal gelesen, Ulrich Beck schreibe manchmal sehr schnell. Einen Essay oder ein kleines Buch in wenigen Tagen – keine Problem. Hieraus resultiert dann gelegentlich auch mal der Vorwurf des Schnellen, Voreiligen; gar eines kessen Zeitgeistsurfers. Sein neuester Essay in der aktuellen Ausgabe der »ZEIT« scheint von dieser Art zu sein. »Gott-ist-gefaehrlich« schreibt der renommierte Soziologe und stupende Risikoforscher Beck dort und formuliert fünf Thesen, die dieses arg pauschale Urteil bestätigen sollen – und enttäuschend schlicht daherkommen.
Becks erste These beschäftigt sich mit der Dualität Gläubiger und Ungläubiger. Zwar postulierten religiöse Systeme die Gleichheit aller Menschen – aber im gleichen Moment, wo diese Brücke gebaut sei, zerstöre man durch die dualistische Logik zwischen Ungläubigen und Gläubigen diese Versöhnungsgeste wieder. Und Beck möchte dem Gesundheitsminister ins Stammbuch schreiben: Religion tötet. Religion darf an Jugendliche unter 18 Jahren nicht weitergegeben werden.
Maybrit Illner, die unlängst ihre mangelnde Kritikfähigkeit in einem patzigen Gespräch mit Tillmann P. Gangloff von der Frankfurter Rundschau unter Beweis stellte, hat ein Buch geschrieben, in dem sie unter anderem Politiker in bestimmte Gruppen quantifiziert. In »Planet Interview« ist hierüber ein Interview erschienen. Illner beklagt darin unter anderem Formulierungen von Politikern, die so technokratisch ...
Der Untertitel des Buches Was Terroristen wollen verspricht nicht zuviel: Die Ursachen der Gewalt und wie wir sie bekämpfen können. Louise Richardson, Politikprofessorin aus Harvard, hat sich jahrzehntelang mit Terrorismus beschäftigt und diesen wissenschaftlich untersucht. Das vorliegende Buch ist dabei sowohl eine populärwissenschaftliche Zusammenfassung ihrer Untersuchungen als auch Wegweiser, wie demokratische und liberale Rechtsstaaten mit dieser Bedrohung umgehen können, die ja – auch das wird im Laufe der Lektüre deutlich – kein neuartiges Phänomen darstellt (und auch nicht einer bestimmten Kultur zugeschrieben werden kann).
Die Tatsache, dass Richardson Irin ist und auch selbst als Jugendliche mit dem Terrorismus der IRA (bzw. PIRA) konfrontiert wurde, bringt noch eine zusätzliche Facette in dieses Buch hinein (die jedoch nur sehr dezent und am Anfang erwähnt wird). So berichtet die Autorin sehr wohl, wie die Infiltration im Elternhaus, in der Schule und unter Freunden wie eine Art schleichendes Gift in ihr fortschritt und dieses für Terroristen und ihre Anhänger typische dichotomische Weltbild erzeugte. Und sie schildert ihr Erwekkungserlebnis, welches sie schlagartig »bekehrte«, als sie auf dem Dachboden ein Foto des Onkels fand, der als widerständischer Freiheitsheld in der Familie gefeiert wurde, auf dem Foto jedoch ausgerechnet eine britische Uniform trug und alle Mythengeschichten, jene erinnerte Historie, die von Generation zu Generation immer weitererzählt wurde, auf einen Schlag zu Lügen mutierten.
Was ist Terrorismus?
Zunächst einmal definiert Richardson den Begriff des Terrorismus (bzw. des Terroristen), was absolut notwendig ist, denn »Terror« und »Terrorist« finden inzwischen inflationär Verwendung – auch und gerade in den Medien und auch in vollkommen anderen Zusammenhängen (bspw. »Telefonterror« oder »Wirtschaftsterror« für Devisenspekulationen).
Wenn Politiker Wirtschaftsbegriffe übernehmen, sollte man hellhörig werden. Nicht selten werden politisch-gesellschaftliche Entwicklungen ökonomisiert. Dabei kommt in der Regel nichts Gutes heraus – weder ästhetisch noch politisch.
Exemplarisch kann man das am Wort »Wettbewerb« sehen. Dieser Begriff ist in den letzten Jahren zum Fetisch geworden. Fast immer, wenn eine Differenz in politischen Gesprächen nicht wegverhandelt werden kann, kommen die Volksvertreter auf die nebulöse Formulierung, dass jetzt eben der »Wettbewerb« entscheide.
Manchmal vermag ein Wort tatsächlich sehr viel zu sagen. Beispielsweise über eine Gesellschaft und deren Sorgen.
In Deutschland wurde heute das »Wort des Jahres 2007« von der »Gesellschaft für deutsche Sprache« bekanntgegeben (ermittelt?): Klimakatastrophe.
ich könnte schwören, einige Nachrichtenquellen hätten »Klimawandel« genannt, aber ich täusche mich vermutlich. Dieses Wort ist wohl zu neutral, zu wenig effekthascherisch. Für Deutschland muss es immer auch ein bisschen deutlicher sein. Da passt Klimakatastrophe genau. Es bezeichnet nicht nur die augenblickliche Stimmung zu diesem Thema im medialen Zirkus, sondern ist auch gleichzeitig wertend; keinen Widerspruch duldend.
In der aktuellen Ausgabe der »Zeit« ist ein Aufsatz des italienischen Philosophen Paolo Flores d’Arcais auf Jürgen Habermas’ Aufsatzsammlung »Zwischen Naturalismus und Religion« mit dem wuchtigen Titel »Elf Thesen zu Habermas« erschienen.
Weniger die Kritik als der Zeitpunkt überrascht. Schliesslich ist Habermas’ Buch vor mehr als zwei Jahren erschienen. Die von Flores d’Arcais vorgebrachten Vorwürfe, Habermas würde die Moderne zu Gunsten einer verstärkten Religiosität opfern sind auch nicht neu. Warum also jetzt? Es dürfte kaum anzunehmen sein, dass der Autor bisher keine Zeit hatte, das Buch zu lesen. Vielmehr erscheint die Gelegenheit in Anbetracht des derzeit publizistisch vehement vorgebrachten »neuen Atheismus« günstig. Das Thema ist en vogue, die Bastionen der Religionen werden sturmreif geschossen und warum nicht quasi als Nebeneffekt gleich einen führenden Repräsentanten der europäischen Linken attackieren.