Ul­ri­ke Acker­mann: Eros der Frei­heit

Ulrike Ackermann: Eros der Freiheit

Ul­ri­ke Acker­mann: Eros der Frei­heit


Da sind die er­sten 70 Sei­ten. Jam­mer­or­gi­en über die Frei­heits­mü­dig­keit der säkular[n] Mo­der­ne, wi­der den pa­ter­na­li­sti­schen Staat und der Nei­gung sei­ner Bür­ger, die ein kru­des Ver­ständ­nis vom glo­ba­li­sier­ten Markt an den Tag le­gen, sich ge­gen die Frei­heit zu ent­schei­den um statt­des­sen ei­ne rund­um ver­sorgt zu wer­den. Da wird der Staat zum Gott-Er­satz ge­macht und der Markt, die­ser Hort der Frei­heit, der au­to­ri­tä­re Sy­ste­me à la longue de­sta­bi­li­siert, ver­schmäht. Das Ho­he­lied auf den Staat re­sul­tiert aus dem bür­ger­li­chen Selbst­haß (un­ter an­de­rem in der Frank­fur­ter Schu­le ver­ba­li­siert), ei­nem Er­be des Fa­schis­mus, Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und Kom­mu­nis­mus, je­ner sä­ku­la­ren Re­li­gio­nen, die das Er­be der Auf­klä­rung und vor al­lem der Ro­man­tik per­ver­tiert ha­ben.

Mit dem En­de des re­al exi­stie­ren­den So­zia­lis­mus der al­ten DDR ist auch, so Acker­mann, das al­te BRD-Mo­dell des rhei­ni­schen Kapitalismus…untergegangen. An des­sen Stel­le tritt jetzt der glo­ba­li­sier­te Markt und der Wett­be­werb, je­nes Ent­deckungs­ver­fah­ren und Ent­mach­tungs­in­stru­ment. Je­der ist dar­in sei­nes Glückes Schmied und nur der die Bür­ger in­fan­ti­li­sie­ren­de Staat, die­se sä­ku­la­re Um­ma, stellt sich mit neu­en Schi­ka­nen der Frei­heit der Markt­teil­neh­mer ent­ge­gen.

Die fort­schrei­ten­de Ge­set­zes- und Re­gu­lie­rungs­wut in be­stimm­ten po­li­ti­schen Fel­dern nutzt Acker­mann, um mit dem Ba­de sämt­li­che Kin­der gleich mit aus­zu­schüt­ten. Rauch­ver­bot, Al­ko­hol­freie Zo­nen, Am­pel­re­ge­lung auf Le­bens­mit­tel­ver­packun­gen – al­les nur Gän­ge­lun­gen. Das schlim­me da­bei: Der Bür­ger be­gibt sich auch ger­ne in die­se Ab­hän­gig­keit und Be­vor­mun­dung vom Staat. Und der Staat macht das, um die Bür­ger, die oft nur ein kru­des Ver­ständ­nis vom glo­ba­li­sier­ten Markt ha­ben, da­mit zu kon­trol­lie­ren.

Man könn­te die­se Dia­gno­se von Ul­ri­ke Acker­mann für mit­tel­mä­ssi­ge Sa­ti­re hal­ten, aber die Da­me meint es Ernst. Die Fein­de der Frei­heit sieht sie al­ler­dings nicht nur im Staat, son­dern auch in den kol­lek­ti­vi­sti­schen Ten­den­zen der Re­li­gio­nen und da vor al­lem im welt­wei­ten Vor­marsch des Is­lam. Der Kampf der Kul­tu­ren ist für Acker­mann in Form ei­ner schlei­chen­den Scha­ria in un­se­ren Städ­ten an­ge­kom­men, wo gewaltaffin[e] Mus­li­me die frei­heit­li­che Ge­sell­schaft ab­schaf­fen wol­len. Statt sich dem mu­tig ent­ge­gen­zu­stel­len, ver­har­ren wir in Ap­pease­ment und be­trei­ben se­hen­den Au­ges ei­ne Ver­harm­lo­sung des Is­lam. Ei­ne mul­ti­kul­tu­rel­le At­ti­tü­de führt in falsch ver­stan­de­ner To­le­ranz zu ei­ner Ver­herr­li­chung des Frem­den. Selbst un­se­re Rechts­spre­chung ist da­von an­geb­lich nicht mehr frei. Hier wird das all­seits be­lieb­te Bei­spiel der Frank­fur­ter Rich­te­rin her­an­ge­zo­gen. Zwar wird es min­de­stens ver­zer­rend dar­ge­stellt (es wird sug­ge­riert, als sei es ein Ur­teil der Rich­te­rin er­gan­gen, aus dem ei­ne Bil­li­gung ei­nes »Züch­ti­gungs­rechts« ab­zu­lei­ten wä­re), aber mit sol­chen De­tails hält sich die Au­torin nicht auf.

In den näch­sten rund 80 Sei­ten ent­wickelt Acker­mann nun ei­ne Ge­schich­te der Frei­heit. Ge­treu dem Mot­to von Ben­ja­min Con­stant, dass die in­di­vi­du­el­le Frei­heit… nie der po­li­ti­schen Frei­heit ge­op­fert wer­den darf, un­ter­sucht sie nun in ei­nem Par­force­ritt die west­li­che Gei­stes­ge­schich­te der letz­ten zwei­tau­send Jah­re. Das es da­bei zu Ver­kür­zun­gen und Ver­ein­fa­chun­gen kom­men muss, ist klar. Aber lei­der zeigt sich Acker­mann in wich­ti­gen Punk­ten der An­ge­le­gen­heit nicht ge­wach­sen. So par­liert sie dann ir­gend­wann von der Pe­ne­tranz der auf­klä­re­ri­schen Ver­nünf­te­lei und zeigt da­bei, dass sie den Kant­schen Ver­nunft­be­griff und des­sen un­ter­schied­li­chen Ebe­nen nicht nur nicht ver­stan­den hat, son­dern Ver­nunft – ein An­fän­ger­feh­ler – ge­le­gent­lich mit »Ver­stand« ver­wech­selt. In ih­rer Ver­göt­te­rung der Ro­man­tik als ei­ne Art Wie­ge des In­di­vi­dua­lis­mus ver­schweigt sie bis auf ei­nen hal­ben Ne­ben­satz die In­ter­de­pen­den­zen zwi­schen Ro­man­tik und Na­tio­na­lis­mus, was nicht schlimm wä­re, aber eben nur ei­ne Sei­te der Me­dail­le der Ro­man­tik ist. Ziem­lich stark re­duk­tio­ni­stisch auch ih­re Deu­tun­gen zur Di­cho­to­mie Ver­nunft ge­gen Psy­cho­ana­ly­se.

Der Te­nor ih­rer Aus­füh­run­gen: Trotz enor­mer hi­sto­ri­scher Rück­schrit­te (ins­be­son­de­re im 20. Jahr­hun­dert durch di­ver­se Heils­ideo­lo­gien, die al­le­samt im Un­heil en­de­ten) er­lang­te 1989/90 im Zu­sam­men­bruch des Kom­mu­nis­mus, die Frei­heit zur neu­en, wir­kungs­mäch­ti­gen Kraft. Nach ins­ge­samt nun 149 Sei­ten er­hofft man sich in den letz­ten bei­den Ka­pi­teln ei­ne ge­wis­se Aus­schmückung der The­sen zum »Eros der Frei­heit«. Aber mehr als den ne­ga­ti­ven Frei­heits­be­griff (Frei­heit ist in er­ster Linie…Freiheit von Zwang), ei­nen zwei­sei­ti­gen Ab­riss über Eros, den grie­chi­schen Gott der Lie­be, sei­ne Ver­wandt­schaft und Ver­or­tung in der grie­chi­schen My­tho­lo­gie nebst an­schlie­ssen­der Zu­sam­men­fas­sung der vul­gär­hi­sto­ri­schen The­sen des Bu­ches, die plötz­lich für kur­ze Zeit Gui­do Knopp als Ci­ce­ro oder Thuky­di­des der zeit­ge­nös­si­schen Ge­schichts­schrei­bung er­schei­nen las­sen, hat Ul­ri­ke Acker­mann nichts zu bie­ten.

Zwar be­klagt sie, dass Li­be­ra­lis­mus nur als Wirt­schafts­li­be­ra­lis­mus wahr­ge­nom­men wird, aber sie un­ter­nimmt rein gar nichts, den Li­be­ra­lis­mus zu ver­brei­tern. Und dass die Hy­bris, ei­nen neu­en Men­schen und ei­ne neue Ge­sell­schaft zu pla­nen im 20. Jahr­hun­dert zu ei­nem Rück­fall in die Bar­ba­rei führ­te, ist un­be­streit­bar, aber war­um sie hier­in das Echo der Wis­sen­schafts- und Tech­nik­gläu­big­keit der Auf­klä­rung er­blickt, wo sie sel­ber die po­li­ti­sche Frei­heitauf zu­neh­men­dem Reich­tum, Wohl­stand und dem tech­no­lo­gisch-wirt­schaft­li­chen Wachs­tum ver­or­tet, bleibt ein un­auf­lös­li­cher Wi­der­spruch. Acker­mann er­kennt im­mer­hin, dass die ne­ga­ti­ve Freiheit…die an­hal­ten­de Sehn­sucht des Ein­zel­nen nach Sinn, Er­ha­ben­heit, nach ge­mein­schaft­li­cher Wär­me und Ge­bor­gen­heit nicht oder nur sehr schwer be­frie­di­gen kann, aber mehr als ei­ne ver­schwur­bel­te Ideo­lo­gie des In­di­vi­dua­lis­mus ver­mag sie nicht an­zu­bie­ten.

Die von ihr ver­foch­te­ne Tren­nung der Sphä­ren von Staat, Ge­sell­schaft, Wirt­schaft, Recht, Re­li­gi­on und Pri­vat­heit, stark an Fried­rich von Hay­ek an­ge­lehnt, sug­ge­riert, dass ein Ge­mein­we­sen in un­ter­schied­li­che Par­al­lel­wel­ten auf­ge­spal­ten wer­den kann, die nun aut­ark ne­ben­ein­an­der be­stehen und wir­ken kön­nen. Die­ses Kon­zept auf die heu­ti­gen glo­ba­li­sier­ten Struk­tu­ren wei­ter zu ent­wickeln (wie man es von ei­nem Buch mit die­sem em­pha­ti­schen Ti­tel er­war­ten dürf­te) und da­bei dann auch gleich über ei­ne zwei­fel­los er­for­der­li­che Neu­de­fi­ni­ti­on von De­mo­kra­tie nach­zu­den­ken un­ter­bleibt (was ge­ra­de in Be­zug auf Hay­eks The­sen scha­de ist).

So­mit ist die­ses Buch be­lang­los, ja läp­pisch. Es will für die Frei­heit be­gei­stern, stran­gu­liert den Le­ser aber mit höl­zer­ner Be­haup­tungs­rhe­to­rik, die den Markt als neu­en Fe­tisch fei­ert. Dass er aber bei al­ler Not­wen­dig­keit aus Prin­zip ei­ne wil­de, un­be­zähm­ba­re Be­stie ist, ein Ort des (Sozial-)Darwinismus und da­mit am En­de das Ge­gen­teil ei­nes frei­heit­li­chen Kon­zepts ei­nes Ge­mein­we­sens dar­stellt, kann oder will die Au­torin, die sich am En­de ar­tig bei Wolf­gang Ger­hardt und Diet­mar Doe­r­ing von der FDP-na­hen Fried­rich-Nau­mann-Stif­tung für die fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung be­dankt, nicht ein­mal the­ma­ti­sie­ren. Sie er­geht sich in plü­schi­gen Wohl­fühl­sätz­chen, die sie aus Zi­ta­ten her­aus­de­stil­liert, oh­ne sich um die Ent­sor­gung der Ne­ben­sät­ze eben die­ser Zi­ta­te zu küm­mern. Von der Frei­heit des An­ders­den­ken­den bzw. An­ders­glau­ben­den will sie nichts mehr wis­sen, wenn sie ih­ren mis­sio­na­ri­schen Uni­ver­sa­lis­mus zum Aprio­ri er­hebt. Ih­re teil­wei­se ins pa­ra­no­ide ge­hen­de Isla­mo­pho­bie er­in­nert stark an Hen­ryk M. Bro­der, den sie zwar im Buch nicht zi­tiert, aber in ih­rer »Aus­wahl­bi­blio­gra­phie« er­wähnt.

Wer ein in­tel­li­gen­tes, manch­mal auf­re­gen­des, stel­len­wei­se er­re­gen­des, zu­wei­len ha­ne­bü­chen­des, aber nie tri­via­les Buch über ei­ne kon­ser­va­tiv-li­be­ra­le Neu­de­fi­ni­ti­on von Frei­heit le­sen will, soll­te Udo Di Fa­bi­os »Die Kul­tur der Frei­heit« her­an­zie­hen. Man kann sich dann den Schmar­ren von Ul­ri­ke Acker­mann ge­trost schen­ken.


Die kur­siv ge­setz­ten Pas­sa­gen sind Zi­ta­te aus dem be­spro­che­nen Buch.

6 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Wow, da ha­ben Sie aber aus­ge­teilt!
    Ich ken­ne das Buch nicht. Aber Ih­ren sonst sehr kon­zi­li­an­ten Schreib­stil ken­nend, muss es Ih­nen ziem­lich ge­stun­ken ha­ben.
    Was aber durch­aus nach­voll­zieh­bar er­scheint, wenn ich mir die Zi­ta­te an­se­he:)

  2. Nein, das war nur die For­ma­li­tät, die mich auch bei Dr. Schein sie­zen lässt.
    Und ich woll­te es »amt­li­cher« klin­gen las­sen. Ver­stört war ich kei­nes­falls.
    Es ist eher ein Pro­blem, dass ich zur Zeit kaum in nörd­li­che­re Ge­fil­de kom­me. Aber viel­leicht bin ich in der Wo­che vom 15. bis zum 19. ein­mal in Düs­sel­dorf:)

  3. Ich wä­re ja un­be­dingt auch in Ver­riss­lau­ne, wenn der In­halt dem rei­sse­ri­schen Ti­tel so we­nig zu ent­spre­chen scheint. Ich neh­me mir je­den­falls die Frei­heit her­aus,
    lie­ber Gre­gor, Dich völ­lig zwang­los und über­ra­schend zu du­zen & der­art Eros pein­lichst zu mei­den! Ich bin ganz be­ru­higt, dass der rhei­ni­sche Ka­pi­ta­lis­mus nach wie vor ein My­ste­ri­um bleibt :)

  4. Ma­so­chis­mus
    Sie müs­sen ja mit reich­lich Ma­so­chis­mus ge­seg­net sein, dau­ernd so ei­nen Schund aus dem Ora­kel der Ach­se-des-Gu­ten zu le­sen.
    Ja­ja, ich weiß, zur in­tel­lek­tu­el­len Red­lich­keit ge­hört es, sich auch mit un­be­que­men, ei­nem frem­de Po­si­tio­nen aus­ein­an­der­zu­set­zen, aber un­se­re Le­bens­zeit ist kost­bar, um sie sich mit all­zu of­fen­sicht­li­chem Mist zu ver­trei­ben.

    Mein Tipp: Sou­ve­reign Vir­tue von Ro­nald Dwor­kin