Ver­gleich und Gleich­set­zung

Da­ni­el Bax be­schwer­te sich ge­stern im Po­li­ti­schen Feuil­le­ton von Deutsch­land­ra­dio Kul­tur über die In­fla­ti­on der Hit­ler-Ver­glei­che. Da­bei wie­der­holt all das, was man schon ‑zig mal ge­hört hat. Na­tür­lich geht es ihm auch um die »Ver­harm­lo­sung der Na­zi-Dik­ta­tur«, die sich in die­sen Ver­glei­chen im­mer wie­der zei­ge. Zur Il­lu­stra­ti­on be­dient sich der Sen­der ei­nes Pu­tin-Bil­des un­ter an­de­rem mit Hit­ler­bärt­chen (hier­für ist Bax si­cher­lich nicht ver­ant­wort­lich).

Wo­von Bax schweigt ist der ent­schei­den­de Un­ter­schied zwi­schen »Ver­gleich« und »Gleich­set­zung«. Ver­glei­chen kann ich al­les mit al­lem – viel­leicht ist es so­gar ge­bo­ten, dies zu tun, schon um fest­zu­stel­len, dass A mit B nicht zu ver­glei­chen ist. Pu­tins An­ne­xi­on auf der Krim kann man dem­zu­fol­ge viel­leicht mit Hit­lers Su­de­ten-Po­li­tik ver­glei­chen, um dann fest­zu­stel­len, dass bei­des ei­gent­lich nicht mit­ein­an­der gleich­zu­set­zen ist. Da­zu braucht man zu­nächst den Ver­gleich, der nicht per se et­was ver­harm­lost oder gar re­la­ti­viert. Erst ei­ne Gleich­set­zung könn­te der­ge­stalt kri­ti­siert wer­den.

Dass der Ver­gleich in den Me­di­en im­mer wie­der still­schwei­gend als Gleich­set­zung ver­wen­det wird – DAS ist die fa­ta­le Ent­wick­lung, die sich Kom­men­ta­to­ren wie Bax viel­leicht ein­mal vor­neh­men soll­ten. Denn sie, die Me­di­en, tra­gen zu der In­fla­tio­nie­rung und am En­de auch Tri­via­li­sie­rung des­sen bei, was sie da­nach wohl­feil kri­ti­sie­ren.

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Skan­da­li­sie­rungs­rhe­to­rik be­nö­tigt sol­che Tricks, sonst ist sie er­le­digt. Die Hälf­te der Skan­da­li­sie­run­gen be­ruht auf Faul­heit des Den­kens. Ich schla­ge vor, hier mal ei­ne Samm­lung von Skan­da­li­sie­rungs­rhe­to­rik­tricks zu­sam­men­zu­tra­gen. Es könn­te ein Bei­trag ge­gen täg­li­che Ge­hirn­wä­sche und Denk­schlam­pe­rei wer­den.

  2. Gu­te Idee. Viel­leicht soll­te ich vor­her ein biss­chen Geld sam­meln und mich viel­leicht »Sau­er­krau­ter« nen­nen? Wä­re auch mit klei­ne­ren Bei­trä­gen zu­frie­den.

  3. Dem Ver­glei­chen ist gar nicht zu ent­kom­men. Wir kön­nen fast kei­nen Ge­dan­ken fas­sen, oh­ne in ir­gend­ei­ner Form ei­ne Re­la­ti­on zu ir­gend­et­was her­zu­stel­len. Aus­nah­men sind vllt die un­mit­tel­bar äs­the­tisch-sen­su­el­len Er­fah­run­gen, z.B. sind Blü­ten im­mer »schön«, oh­ne dass ich sie un­ter­ein­an­der ver­glei­chen müss­te. Aber z.B. die gan­ze Kunst­ge­schich­te ent­wickelt sich ent­lang von Re­la­tio­nen, qua­si kom­pe­ti­tiv (sie­he auch Li­te­ra­tur­prei­se) ge­gen­über dem, was es schon gibt. Aus die­ser Un­mög­lich­keit, et­was oh­ne Be­zugs­punk­te zu be­ur­tei­len, er­ge­ben sich dann ei­ne Fül­le von rhe­to­ri­schen Schach­zü­gen, wo­bei in mei­nen Au­gen im­mer der Schön­ste ist, wenn man Din­ge mit­ein­an­der in Be­zug setzt, die nichts mit­ein­an­der zu tun ha­ben. Nach dem Mu­ster: Wäh­rend in Afri­ka Kin­der ver­hun­gern ... hat sich X zu­rück­ge­zo­gen und schreibt ei­nen Ro­man über sei­ne Ur­oma — fei­ert der Ent­wick­lungs­mi­ni­ster ei­ne Ge­burts­tags­par­ty, die über 5.000 Eu­ro ko­stet — trin­ken die Deut­schen im­mer mehr Bier etc. Da­mit kann man mü­he­los je­man­den bzw et­was in ei­nem Zug schach­matt set­zen (»Sie tra­gen Kra­wat­ten, die 120 Eu­ro das Stück ko­sten und wol­len den Hartz IV Emp­fän­ger kei­ne 10 Eu­ro mehr im Mo­nat gön­nen! Ist Ih­nen nicht selbst klar, wie ab­scheu­lich das ist!?«, »Die Re­gie­rung lässt die Bul­ga­ren ins Land strö­men, wäh­rend 3 Mil­lio­nen Deut­sche kei­ne Ar­beit ha­ben!« etc...)
    Auf die­se Art und Wei­se gibt es prak­tisch nichts, was nicht aus ir­gend­ei­ner Per­spek­ti­ve dumm, bru­tal, häss­lich oder sonst­wie »un­mög­lich« aus­sieht. Wenn man ein Büchein schrei­ben wür­de »Der rhe­to­ri­sche Ha­lun­ke« (oder so), dann könn­te sich am En­de je­der dar­in sei­ne ei­ge­nen ge­dank­li­chen Short-cuts be­schrie­ben fin­den ;) Wem ge­lingt es schon, sich al­len Un- & Wahn­sinn aus dem Kopf zu schüt­teln?

  4. Wor­aus man (bos­haft) schlie­ßen könn­te, dass es in wei­ten Tei­len der Me­di­en mehr um Set­zun­gen als Dis­kus­sio­nen geht. — Ver­rä­te­risch ist auch die mo­ra­li­sche Be­wer­tung: Ge­fragt wird meist nicht nach den (un­ter­schei­den­den) Cha­rak­te­ri­sti­ka, die ein Ver­gleich ans Licht bringt oder den Kon­se­quen­zen, die aus ihm zu zie­hen wä­ren.

  5. @Fritz Iver­sen
    Na­tür­lich ist dem Ver­glei­chen nicht zu ent­kom­men. Dar­um ging es mir auch nicht. Ich fin­de ja die Ta­bui­sie­rung von Ver­glei­chen und den syn­ony­men Ge­brauch Ver­gleich = Gleich­set­zung fa­tal. Ge­ra­de im »un­mög­li­chen« Ver­gleich kann ja oft ei­ne Er­kennt­nis lie­gen.