Isa­bel­le Graw: Der gro­ße Preis

Isabelle Graw: Der grosse Preis

Isa­bel­le Graw: Der gro­sse Preis

Wie kommt es ei­gent­lich da­zu, dass auch zeit­ge­nös­si­sche Kunst in­zwi­schen bei Auk­tio­nen ex­or­bi­tant ho­he Prei­se er­zielt? Wie ist die­ser Hype zu er­klä­ren? Die Pro­fes­so­rin, Kunst­kri­ti­ke­rin und Pu­bli­zi­stin Isa­bel­le Graw un­ter­sucht in Ih­rem Buch mit dem schön-dop­pel­deu­ti­gen Ti­tel »Der gro­ße Preis« die Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Kunst (ge­meint ist stets der Son­der­fall der bil­den­den Kün­ste) und Markt. Wo­bei das Buch durch­aus den Be­ginn der Wirt­schafts­kri­se, die uns auf­grund me­dia­ler Auf­be­rei­tung stän­dig prä­sent ist, re­flek­tiert (der Schluss, auf­grund der Spe­zia­li­sie­rung des Kunst­mark­tes wä­ren die Aus­wir­kun­gen ge­dämpf­ter, er­weist sich al­ler­dings als falsch). Be­reits auf den er­sten Sei­ten ih­res Vor­worts (wel­ches ei­ne Zu­sam­men­fas­sung der spä­ter aus­führ­lich aus­ge­brei­te­ten The­sen dar­stellt) wird der ho­he An­spruch die­ses Pro­jekts deut­lich – und die Am­bi­va­len­zen, die sich für je­man­den stel­len, der, wie Graw mehr­fach be­merkt, sel­ber stark in das Ge­sche­hen des zu be­ur­tei­len­den Ge­gen­stan­des in­vol­viert ist.

Kein kul­tur­kri­ti­sches La­men­to

Graw be­schäf­tigt sich zu­nächst mit den Me­cha­nis­men des Mark­tes und wie die­se auf Preis und Wert ei­nes Kunst­werks wir­ken. Es gibt sehr klu­ge und be­den­kens­wer­te Aus­füh­run­gen zu Par­al­le­len zwi­schen Kunst­werk und Lu­xus­gut, wo­bei her­aus­ge­stellt wird, dass dem Kunst­werk im Ge­gen­satz zum Lu­xus­ge­gen­stand der Ge­brauchs­wert fehlt. Wäh­rend ein Lu­xus­au­to durch­aus noch sei­ner ei­gent­li­chen Be­stim­mung (von A nach B zu kom­men) ge­nügt (wenn die­ser Zweck auch in den Hin­ter­grund ge­drängt zu sein scheint bzw. als Selbst­ver­ständ­lich­keit vor­aus­ge­setzt wird), be­sitzt ein Kunst­werk ei­nen sol­chen Ge­brauchs­wert nicht (das äs­the­ti­sche Ver­gnü­gen lässt Graw – wohl zu Recht – in Be­zug auf die Wer­tig­keit nicht gel­ten). Um­ge­kehrt fehlt dem Lu­xus­gut je­doch so­wohl kulturelle[s] und soziale[s] Pre­sti­ge als auch die Au­ra des kul­tu­rell Be­deu­tungs­vol­len.

Gleich­zei­tig stellt Graw fest, dass der Markt längst nicht mehr als ge­sell­schaft­lich ab­ge­kop­pel­te Rea­li­tät be­grif­fen wer­den kann, son­dern dass er die gan­ze Ebe­ne des So­zia­len in Form ei­nes Net­zes um­schliesst. Die »glo­ba­le In­du­strie« und »ar­chai­sche Tausch­ge­sell­schaft« sind für sie zwei Sei­ten der­sel­ben Me­dail­le. Mehr­fach wird be­tont, dass sie kein de­zi­diert markt­feind­li­ches oder kul­tur­kri­ti­sches La­men­to in alar­mi­sti­schem Ton­fall an­stim­men möch­te. Eher im Ge­gen­teil wird ein biss­chen süf­fi­sant dar­auf ver­wie­sen, dass Marktphobie…gut fürs Ge­schäft sei.

Kunst hat, so ei­ne The­se des Bu­ches, so­wohl ei­nen Markt- als auch ei­nen Sym­bol­wert, wo­bei das Ver­hält­nis zwi­schen Sym­bol- und Marktwert…in Ent­spre­chung zum Kunst-Markt-Ver­hält­nis als span­nungs­ge­la­de­nes Wech­sel­ver­hält­nis auf­ge­fasst wird. Die­ser Be­mer­kung sagt je­doch lei­der al­les und nichts aus. Und auch nach sehr vie­len Er­läu­te­run­gen zu Sym­bol- und Markt­wert ver­steht es die Au­torin nicht, ih­re The­se mit mehr als Be­lie­big­keits­me­ta­phern zu un­ter­stüt­zen.

Da­bei wird mun­ter mit Denk­ge­bäu­den (un­ter an­de­rem) von Kant, Marx, Ben­ja­min, Ador­no, Fou­cault und Pierre Bour­dieu jon­gliert und auch neue­re, zeit­ge­nös­si­sche Den­ker wie Pao­lo Vir­no und Ul­rich Bröck­ling oder Kunst­theo­re­ti­ker wie Mar­cel Duch­amp und An­dy War­hol (für Graw ei­ne be­son­de­re Fi­gur) kom­men zu Wort. In teil­wei­se ek­lek­ti­zi­sti­scher Ma­nier (es gibt im­mer­hin 353 Fuss­no­ten auf 235 Sei­ten) wer­den The­sen va­ri­iert, mo­di­fi­ziert und – je nach Gu­sto – auch (pass­kon­form) kor­ri­giert.

Sym­bol­wert und Markt­wert

Graw folgt Bour­dieu noch in der Fest­stel­lung, dass der Sym­bol­wert von Kunst Ma­ni­fe­sta­ti­on ei­ner ma­te­ri­ell nicht mess­ba­ren, schwer zu quan­ti­fi­zie­ren­den Aus­zeich­nung sei. Dann braucht sie Marx, um den Sym­bol­wert im ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis von Wa­re zu Wa­re zu er­ken­nen. Dem­nach ist Sym­bol­wert als zwei­fa­che ge­sell­schaft­li­che Auf­la­dung zu de­fi­nie­ren weil er für ei­nen Über­schuss und ei­ne Auf­ge­la­den­heit steht, die jen­seits von dem mit ihm Be­zeich­ne­ten lie­gen. Der Sym­bol­wert drückt je­ne schwer ding­fest zu ma­chen­de, sym­bo­li­sche Be­deu­tung aus, die sich aus un­ter­schied­li­chen Fak­to­ren – Sin­gu­la­ri­tät, kunst­hi­sto­ri­sche Zu­schrei­bung, Eta­bliert­heit des Künst­lers, Ori­gi­na­li­täts­ver­hei­ssung, Ver­spre­chen auf Dau­er, Au­to­no­mie­po­stu­lat oder in­tel­lek­tu­el­lem An­spruch – zu­sam­men­setzt. Rich­ti­ger­wei­se kon­sta­tiert sie, dass die Ent­las­sung der Kunst aus ih­rer Zweck­ge­bun­den­heit durch die Äs­the­tik im 18. Jahr­hun­dert erst die Vor­aus­set­zun­gen zu ih­rer Ver­mark­tung schaff­te (wo­bei reich­lich spät ein kur­zer Hin­weis auf das Werk­statt­we­sens Rem­brandts aus dem 17. Jahr­hun­dert folgt). Nun stellt sich das Pro­blem, dass das, was von be­ru­fe­ner Sei­te (Kunst­kri­tik und Kunst­ge­schich­te) als äs­the­ti­sche Lei­stung ei­ner künst­le­ri­schen Ar­beit be­haup­tet wird nicht oh­ne wei­te­res in ei­nen Preis »über­führt« wer­den kann.

Trotz der Fest­stel­lung, dass der Markt­wert im­mer auf ei­nen »Sym­bol­wert« an­ge­wie­sen [ist], der ihn [den Markt­wert] letzt­lich le­gi­ti­miert be­geht Graw ei­nen Denk­feh­ler, in dem sie be­haup­tet, dass der Sym­bol­wert nicht im Markt­wert auf[geht]…obwohl, wie sie sel­ber kon­zi­diert, für ihn ein Preis ver­langt wird. Die­ser Preis recht­fer­tigt sich um­ge­kehrt mit ei­nem Sym­bol­wert, der grund­sätz­lich nicht ver­re­chen­bar ist. Das führt zu ih­rem Pa­ra­do­xon, dass das Kunst­werk von sei­ner sym­bo­li­schen Be­deu­tung aus ge­se­hen preis­los sei und den­noch hat es sei­nen Preis. In dem sie den Sym­bol­wert je­doch am Markt »bil­den« lässt (eben durch In­sti­tu­tio­nen wie Kri­tik, Ga­le­ri­sten, Samm­ler, Kunst­wis­sen­schaft­ler), wird der Sym­bol­wert so­zu­sa­gen so­zia­li­siert und ist nicht bei­spiels­wei­se nur ei­ne Wert­zu­wei­sung ei­nes ein­zel­nen Samm­lers oder ei­ner klei­nen Grup­pe von En­thu­sia­sten. Dies wie­der­um führt zu ei­ner Quan­ti­fi­zie­rung, die zwar nicht re­al nach­prüf­bar ist, aber durch­aus mit der Zeit durch­aus Pa­ra­me­ter ent­wickelt, die min­de­stens für ei­ne ge­wis­se Zeit Gül­tig­keit be­sit­zen.

Da­her trifft der Ver­gleich zwi­schen dem Kunst­werk und der Mar­ken­wa­re (sieht man – ähn­lich wie beim Lu­xus­ar­ti­kel – von des­sen Ge­brauchs­wert ab) durch­aus mehr zu, als Graw ein­räumt. Der Ge­dan­ke, dass die De­si­gner­bril­le nicht [an] die Vor­stel­lung ei­nes von ihr ab­ge­wor­fe­nen, er­kennt­nis­theo­re­ti­schen Mehr­werts ge­knüpft ist und da­mit im Ge­gen­satz zum Kunst­werk steht, wel­ches enor­me in­tel­lek­tu­el­le Lei­stun­gen voll­brin­gen soll, ver­hin­dert nicht, dass nicht nur der Preis in der Kunst als et­was Ar­bi­trä­res an­ge­se­hen wer­den muss. Auch der Wert der De­si­gner­bril­le ist in die­sem Sin­ne will­kür­lich, weil vom rei­nen Ma­te­ri­al- und Pro­duk­ti­ons­wert ab­ge­kop­pelt. Die Auf­la­dung des Kunst­werks als »in­tel­lek­tu­el­les« Pro­dukt ist letzt­lich nur wie­der­um Teil des Sym­bol­wer­tes des Kunst­wer­kes. Das wä­re, sa­lopp ge­sagt, letzt­lich der (ein­zi­ge) Grund, war­um ei­ne De­si­gner­bril­le nor­ma­ler­wei­se preis­wer­ter (!) ist als ein Bild ei­nes an­ge­sag­ten Ma­lers.

Da hilft dann die Fest­stel­lung der Über­de­ter­mi­niert­heit des Sym­bol­werts, der sich in hor­ren­den Prei­sen zeigt (wie bei­spiels­wei­se für Da­mi­an Hirsts »To­ten­schä­del«, der noch im Au­gust 2008 für 100 Mil­lio­nen US-Dol­lar ver­stei­gert wur­de, je­doch ei­nen rei­nen »Ma­te­ri­al­wert« von nur rd. US$ 30 Mil­lio­nen ha­ben soll), nicht wei­ter.

Graw folgt Bour­dieu in dem Au­gen­blick nicht mehr, als die­ser Sym­bol­wert und Markt­wert in relative[r] Un­ab­hän­gig­keit sieht. Sie plä­diert für ei­ne eng ge­führ­te Par­al­le­li­tät und kommt zu dem si­byl­li­ni­schen Schluss, sie mach­ten sich bei­de ge­gen­sei­tig das Le­ben schwer, um doch auf­ein­an­der an­ge­wie­sen zu sein; ihr Ver­hält­nis sei von An­zie­hung und Ab­sto­ssung ge­prägt. Dies wä­re je­doch nur rich­tig, wenn es so­zu­sa­gen zwei »Prei­se« gä­be, die auch ge­trennt er­mit­telt wür­den. Statt die Schnitt­stel­le, wenn der Sym­bol­wert zum Markt­wert wird und die ein­zel­nen Im­pli­ka­tio­nen zu de­fi­nie­ren und even­tu­ell ei­ne Art Phä­no­me­no­lo­gie des Markt­werts zu ver­su­chen, wird ei­ne schlaf­fe Schwe­be­po­si­ti­on kon­stru­iert.

Tat­säch­lich be­tont Graw die Son­der­stel­lung des Kunst­werks auf­grund die­ser »bi­po­la­ren Wert­ermitt­lung« (die sie als po­la­re Grund­kon­stel­la­ti­on be­zeich­net). Sie ver­gisst da­bei, dass bei­spiels­wei­se auch der Bör­sen­han­del ähn­li­chen Be­wer­tun­gen un­ter­liegt (streng ge­nom­men ist so­gar der Wert des Gel­des sel­ber ein höchst sym­bo­li­scher). Zwar wä­re hier (theo­re­tisch) der (Markt-)Wert des Un­ter­neh­mens über die buch­hal­te­ri­schen Kenn­zif­fern der Bi­lanz quan­ti­fi­zier­bar. Der Ak­ti­en­kurs je­doch schafft ei­ne zwei­te, ex­trem va­ria­ble Grö­sse, der nun den »Sym­bol­wert« des Un­ter­neh­mens aus­drückt. Bei­de Wer­te kön­nen sich be­trächt­lich un­ter­schei­den, wie man am Bei­spiel der Spe­ku­la­tio­nen um die VW-Ak­tie En­de 2008 se­hen kann, als die Volks­wa­gen AG vor­über­ge­hend zum »wert­voll­sten« Un­ter­neh­men der Welt wur­de. Die­ser »Wert« ent­sprach je­doch kei­nes­falls der »rea­len« Be­wer­tung des Kon­zerns. Im Ge­gen­satz zum Kunst­werk sind zwar bei­de Wer­te viel eher zu er­mit­teln, da sie an kon­kre­ten Zah­len fest­zu­ma­chen sind. Aber durch die Vo­la­ti­li­tät des Ak­ti­en­mark­tes (der sich üb­ri­gens ver­blüf­fen­der­wei­se in Tei­len dem nä­hert, was Graw als Spe­zi­fi­kum des Kunst­mark­tes her­aus­ar­bei­tet) bleibt der »Sym­bol­wert« (Bör­sen­wert) des Un­ter­neh­mens un­ge­wiss, ja spe­ku­la­tiv, ob­wohl er re­fle­xiv auch wie­der in den ei­gent­li­chen Markt­wert ein­fliesst (wenn auch nur in­di­rekt, bei­spiels­wei­se durch im­ma­te­ri­el­le Zu­ord­nun­gen). Den­noch hat ein Un­ter­neh­men (um die­sen Ver­gleich fort­zu­füh­ren) letzt­lich nur ei­nen »Wert« – ge­nau wie das Kunst­werk (wel­ches ja auch Schwan­kun­gen un­ter­wor­fen ist).

Net­wor­king statt Ein­zel­kämp­fer

Er­gie­big ist Graws Buch in der Schil­de­rung der Ve­flech­tung der ein­zel­nen »In­sti­tu­tio­nen«, die den Markterfolg…zum Maß al­ler Din­ge und zum Grad­mes­ser künst­le­ri­scher Qua­li­tät ma­chen. Da sie sich ge­le­gent­lich nicht mit nor­ma­len Vo­ka­bu­lar zu­frie­den­gibt, wird hier­für den sper­ri­ge (ver­mut­lich je­doch pas­sen­de) Be­griff der Kon­se­kra­ti­ons­in­stan­zen ein­ge­führt. Nicht nur hier zeigt sich, dass die Au­torin von der (zu­nächst) de­skrip­tiv-neu­tra­len Hal­tung, die ei­ne ge­wis­se Re­ser­viert­heit ge­gen­über der be­schrie­be­nen Dy­na­mik zeigt, ir­gend­wann so­zu­sa­gen zwi­schen den Zei­len im­mer mehr ins Be­ja­hen­de ab­drif­tet, so dass es dem Le­ser ge­le­gent­lich er­scheint, als sei das Buch von zwei Au­toren ge­schrie­ben wor­den, de­ren Sät­ze ir­gend­wann zu­sam­men­mon­tiert wor­den sei­en.

Ei­ner­seits ist es für sie fol­ge­rich­tig, dass der Markt à la longue auf be­stimm­te Kon­se­kra­ti­ons­in­stan­zen an­ge­wie­sen ist, die künst­le­ri­sche Pro­duk­ti­on le­gi­ti­mie­ren, an­de­rer­seits kon­sta­tiert sie, dass der Markt ei­ne Art »per­ma­nen­tes öko­no­mi­sches Tri­bu­nal« sei. Sie mo­niert das Vor­drin­gen ei­ner Markt­lo­gik, die sich in letzt­lich un­durch­schau­ba­ren Ran­king­sy­ste­men oder ob­sku­ren Hit­li­sten zeigt und be­an­stan­det teil­wei­se em­pha­tisch, dass Kri­ti­ker im­mer mehr ih­re neu­tra­le Po­si­ti­on zu Gun­sten ei­ner Rol­le von Glaub­wür­dig­keits­lie­fe­ran­ten über­neh­men, die gut fürs Ge­schäft sind, weil sie je­ne Be­deu­tung pro­du­zie­ren, die den Markt­wert letzt­lich le­gi­ti­miert (die Kri­ti­ker wol­len wohl auch ein biss­chen von der Gold­rausch­stim­mung pro­fi­tie­ren, in dem sie dem pri­va­ten Ga­le­ri­sten er­lau­ben, sie für ei­nen Text gut zu be­zah­len) und pro­ble­ma­ti­siert an­de­rer­seits das markt­fer­ne Selbst­ver­ständ­nis von Tei­len der Kri­tik. Ei­ner­seits scheint sie den Pa­ra­dig­men­wech­sel, der den Markt­er­folg als äs­the­ti­sches Kri­te­ri­um fest­schreibt, zu kri­ti­sie­ren, an­de­rer­seits ent­fal­tet sie am En­de des Bu­ches an di­ver­sen von ihr so ge­nann­ten markt­re­fle­xi­ven Kunst­wer­ken ei­ne gut ge­öl­te Ex­ege­se­ma­schi­ne, der bei­spiels­wei­se der In­ter­pre­ta­ti­ons­wal­ze des mär­chen­deu­ten­den Eu­gen Dre­wer­mann in nichts nach­steht.

Das Buch hat aber auch sehr in­ter­es­san­te und er­he­ben­de Mo­men­te. Et­wa, wenn Graw aus­führ­lich auf die In­ter­de­pen­den­zen und ge­gen­sei­ti­gen Ver­strickun­gen der Kon­se­kra­ti­ons­in­stan­zen ein­geht und ei­ne ge­konn­te und poin­tier­te Sicht auf die Kunst­welt als netz­för­mig or­ga­ni­sier­te »Kon­takt­welt« gibt, was letzt­lich fast zwangs­läu­fig in den »Net­wor­king-Im­pe­ra­tiv« mün­det. Zwar über­neh­men Auk­ti­ons­häu­ser im­mer noch die Rol­le von Kre­dit­in­sti­tu­ten und Kri­ti­ker wer­den (wie be­reits er­wähnt) zu Be­deu­tungs­pro­du­zen­ten, aber die Rol­len von Ga­le­ri­sten, Ku­ra­to­ren und Samm­lern wei­sen in­zwi­schen oft Über­schnei­dun­gen auf. Kri­ti­ker sind in­zwi­schen auch Ga­le­ri­sten und/oder Ku­ra­to­ren, Auk­tio­nen be­stücken Ga­le­rien – je­der macht ir­gend­wann ein­mal al­les und das führt zu Rollenkonflikte[n] (Graw ver­schweigt hier aber­mals ih­re ei­ge­nen po­ten­ti­el­len In­ter­es­sen­kon­flik­te nicht), die letzt­lich ei­nen Man­gel an Selbst­re­fle­xi­on zur Fol­ge ha­ben. Dies wird ein­dring­lich und mit of­fen­sicht­lich ho­her Ver­traut­heit ge­schil­dert, wenn auch oh­ne di­rek­te Be­ur­tei­lung die­ses Prin­zips; (mo­ra­li­sche) Ent­rü­stung scheint ihr fremd sein. Auch un­ter­lässt sie es, Be­le­ge aus dem »Näh­käst­chen« bei­zu­steu­ern.

Die Auf­he­bung der klas­si­schen Kom­pe­tenz­pro­fi­le führt zu ei­nem Ko­ope­ra­ti­ons­zwang. Der Geg­ner von heu­te könn­te der drin­gend be­nö­tig­te Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner von mor­gen sein. Freund­schaf­ten wer­den un­ter rein öko­no­mi­schen Ge­sichts­punk­ten ge­schlos­sen (ein we­nig holp­rig das Bei­spiel van Gogh/Gauguin, um dies nicht aus­schliess­lich als zeit­ge­mä­sses Phä­no­men zu be­schrei­ben). Der Ein­zel­kämp­fer ist weit­ge­hend chan­cen­los, er fun­giert höch­stens noch als ei­ne Art Künst­ler-Künst­ler, der da­zu neigt sein gan­zes Le­ben in Form von als »le­gen­där« er­ach­ten­den Auf­trit­ten in die Waag­scha­le zu wer­fen. Am Mo­dell des Künst­ler-Künst­lers ent­deckt Graw die Dif­fe­renz zwi­schen ei­nem ho­hen Kult­welt, der in der je­wei­li­gen Per­son be­grün­det liegt und ei­nem eher ge­rin­gen Markt­wert, da die Kunst­wer­ke oft ver­gäng­lich und kei­ne fe­sten Ge­gen­stän­de sind. Der Künst­ler-Künst­ler, der an­fangs (ober­fläch­lich be­trach­tet) für ei­ne Ver­wei­ge­rung der Kom­mer­zia­li­sie­rung steht, geht bei Graw spä­ter in den Ce­le­bri­ty über – das zwei­fel­los ge­lun­gen­ste Ka­pi­tel des Bu­ches.

Ce­le­bri­ty: Ver­schmel­zung von Le­ben und Werk

Ein Ce­le­bri­ty ist zu­nächst ein­mal ei­ne om­ni­prä­sen­te Fi­gur, die als »Pro­dukt« aus­schliess­lich ih­re ei­ge­ne Be­rühmt­heit »be­sitzt« und die­se ver­mark­tet. Ihr Le­ben und ih­re Per­sön­lich­keit sol­len ex­em­pla­risch, her­aus­ra­gend und der Re­de Wert sein. Graw be­schreibt nun, wie der Kunst­markt die­se Form der Selbst­ver­mark­tung ak­ku­mu­liert und da­mit das Pro­jekt der Avant­gar­de prak­tisch voll­endet. Sie nennt dies bio­po­li­ti­sche Wen­de. Der Künst­ler, der ja im­mer­hin im Ge­gen­satz zum Ce­le­bri­ty das Kunst­werk (im Ide­al­fall ein Œu­vre) an­zu­bie­ten kann, wird zum lebende[n] Be­weis. Die Le­gen­de vom Künst­ler wird im­ple­men­tiert, der sein Le­ben als fun­da­men­ta­le Ka­te­go­rie, wel­ches min­de­stens eben­so sehr wie das Werk un­ser In­ter­es­se ver­dient de­fi­niert und in­sze­niert wird und dann zu­sam­men mit dem Kunst­werk dem neo­li­be­ra­len Re­gime dar­bringt (är­ger­lich in die­sem Zu­sam­men­hang, dass Graw den Be­griff »neo­li­be­ral« meh­re­re Ma­le im land­läu­fi­gen, al­so fal­schen Sinn ver­wen­det, ob­wohl sie ihn auch min­de­stens zwei­mal kor­rekt ver­wen­det und so­gar er­läu­tert).

Graw zi­tiert die Schau­spie­le­rin An­ge­li­na Jo­lie, die mein­te, ihr Pro­dukt [be­stün­de heu­te] zu 80% aus ih­rem Pri­vat­le­ben, aus »al­ber­nen und er­fun­de­nen Ge­schich­ten« oder dem, was sie an­ha­be. Das Ver­hält­nis zwi­schen »Le­ben« und »Werk« ist, so die The­se, grund­sätz­lich met­ony­misch, al­so durch Ver­schie­bung und Über­tra­gung cha­rak­te­ri­siert. Wie bei Ce­le­bri­ties fär­ben Le­ben und Werk des Künst­lers auf­ein­an­der ab und be­grün­den ei­nen Kult des Au­then­ti­schen. Schön wenn sie be­schreibt, wie Er­folg und auch Schei­tern der Prot­ago­ni­sten in fast bi­bli­schen Di­men­sio­nen Heils­er­war­tun­gen und Sehn­süch­te be­die­nen, die längst au­sser­halb jeg­li­chen Werks­kon­tex­tes lie­gen. Ob­wohl Graw mit gro­sser Stren­ge bei der Be­trach­tung der Kunst­sze­ne bleibt, las­sen sich hier sehr gut Par­al­le­len bei­spiels­wei­se zum Li­te­ra­tur­be­trieb fest­stel­len.

Vom Ce­le­bri­ty-Künst­ler ist es nur noch ein klei­ner Schritt zur Ce­le­bri­ty-Kul­tur, wel­che die von der Kul­tur­kri­tik re­gel­mä­ssig auf­ge­ru­fe­ne (und ver­damm­te) »Spektakelkultur«…abgelöst hat. Graw über­sieht zwar, dass die »Spek­ta­kel«- bzw. »Skan­dal­kul­tur« als be­kannt­heits­stif­ten­des Re­qui­sit im­mer noch oft ge­nug prak­ti­ziert wird (und sie un­ter­lässt es, hier die me­dia­len Me­cha­nis­men her­aus­zu­ar­bei­ten), aber vom Prin­zip her neigt man da­zu, ihr zu­zu­stim­men.

Der »markt­re­fle­xi­ve« Künst­ler

Den »Ur­va­ter« des Ce­le­bri­ty-Künst­lers sieht Graw in An­dy War­hol, der in den 60er Jah­ren vom blo­ssen Par­ty­gän­ger zum In­be­griff des markt­re­fle­xi­ven Künst­lers wur­de, schon insofern…als er das Markt­ge­sche­hen zu sei­nem künst­le­ri­schen Ma­te­ri­al er­klär­te, oh­ne sich mit sei­ner blo­ßen Ab­bil­dung zu be­gnü­gen und dies ob­wohl (oder ge­ra­de weil?) die Bil­der der Pop Art-Kollegen…Lichtenstein oder Johns weit hö­her be­wer­tet wor­den wa­ren.

Mit der Im­ple­men­tie­rung des markt­re­fle­xi­ven Künst­lers, der aus der Ce­le­bri­ty-Kul­tur her­vor­geht und sie wohl über­win­den soll, er­lei­det Graw je­doch ve­ri­ta­blen Schiff­bruch. Mit markt­re­fle­xi­ven Ge­sten soll der Rück­be­zug auf ein Markt­ge­sche­hen um­schrie­ben sein, von dem sich der Ge­sti­ku­lie­ren­de selbst nicht aus­nimmt. Die­sem Markt­ge­sche­hen wird in sei­ner je­wei­li­gen hi­sto­ri­schen Ver­fasst­heit be­geg­net – sei es, dass die struk­tu­rel­le Nä­he des Kunst­markts zum Fi­nanz­markt be­haup­tet wird, sei es, dass den Aus­wir­kun­gen des Ce­le­bri­ty-Prin­zips auf künst­le­ri­sche Pro­duk­ti­on nach­ge­gan­gen wird. Fast glaubt man ver­stan­den zu ha­ben, da heisst es dann aber, dass un­ter Markt­re­fle­xi­on nicht das un­mit­tel­ba­re Hin­ein­ra­gen des Mark­tes in die künst­le­ri­sche Pro­duk­ti­on zu ver­ste­hen sei. Was ist al­so kon­kret ge­meint, wenn ge­sagt wird, dass markt­re­fle­xi­ve Gesten…die Markt­be­din­gun­gen im Hin­blick auf de­ren po­ten­ti­el­le Ver­än­der­bar­keit auf­grei­fen?

Die Bei­spie­le, die Graw dann auf­führt (von Gu­st­ave Cour­bet über Mar­cel Duch­amp, Yves Klein [nach Graw ein Vor­rei­ter der…»Eventkultur«], Da­mi­en Hirst [des­sen ab­ge­klär­ter Markt­rea­lis­mus vor­ge­führt wird], Mer­lin Car­pen­ter, Jeff Ko­ons bis zur Ak­ti­on von An­drea Fra­ser, die auf ei­nem Vi­deo mit ei­nem ih­rer Samm­ler se­xu­ell ver­kehrt [Un­tit­led, 2003]) ent­wickelt Graw die be­reits an­ge­spro­che­nen, ein­drucks­vol­len In­ter­pre­ta­ti­ons­mo­del­le, die je­doch we­nig über­zeu­gen, da das, was sie als Markt­re­fle­xi­vi­tät de­fi­niert letzt­lich nur noch aus kom­mer­zi­el­len Er­wä­gun­gen her­aus pro­du­ziert scheint (in­klu­si­ve ge­le­gent­li­chem Skan­dal­an­teil) und da­mit schlicht­weg das Be­die­nen ge­wis­ser Er­war­tungs­hal­tun­gen be­frie­digt. Ei­ne Markt­re­fle­xi­vi­tät, die den Markt auf ei­ne markt­kon­for­me (und so­mit vor­her­seh­ba­re) Art und Wei­se be­dient, weil sie glaubt, die Ver­hält­nis­se nicht mehr än­dern zu kön­nen, ver­kommt zur blo­ssen Af­fir­ma­ti­on (wenn sie nicht in Zy­nis­mus ab­glei­tet, was im Zwei­fel schwer zu ent­schei­den sein kann).

Bei all die­sen Über­le­gun­gen spielt üb­ri­gens ver­blüf­fen­der­wei­se der Kunst­be­trach­ter und Mu­se­ums­be­su­cher in »Der gro­ße Preis« kei­ne Rol­le. Er bleibt wohl ent­we­der Ce­le­bri­ty-Grou­pie mit »Bun­te«, »Va­ni­ty Fair« oder »Ga­la« als Re­fe­renz­me­di­en oder wird zum ak­kla­mie­ren­den Kon­su­men­ten de­gra­diert, der im Mu­se­um schon rou­ti­niert zur Er­klär­ma­schi­ne per Kopf­hö­rer greift und im »Mu­se­ums­shop« am En­de drei Kunst­post­kar­ten für zwei Eu­ro das Stück kau­fen darf, be­vor er sich dann ir­gend­wann ob die­ses so­lip­si­stisch-gross­mau­li­gen Ge­ha­bes ei­ner sich selbst ge­nü­gen­den Kunst­schicke­ria mehr oder we­ni­ger an­ge­ekelt ab­wen­det.

Wenn Graw rich­ti­ger­wei­se den Ge­stus des Markt­ver­wei­ge­rers als mei­stens un­glaub­wür­di­ge Po­se her­aus­ar­bei­tet (weil er letzt­lich auch nur auf den Markt re­kur­riert), so ist der markt­re­fle­xi­ve Künst­ler im Er­geb­nis nichts an­de­res als je­mand, der dem Kom­merz in ei­nem selbst­re­fe­ren­ti­el­len Sy­stem er­liegt. Ob er des­sen Ge­setz­mä­ssig­kei­ten ana­ly­siert hat und kühl mit ih­nen spielt oder ob es sich um ei­nen pri­mi­ti­ve­ren, tri­via­li­sier­ten Vor­gang han­delt, spielt dann letzt­lich kei­ne Rol­le mehr. Wo da die Kunst als em­pha­ti­sches Aus­drucks­me­di­um bleibt, wird nicht the­ma­ti­siert.

Mit­ten in die­sem Amal­ga­mie­rungs­pro­zess zwi­schen Kunst und Markt be­wegt sich Isa­bel­le Graw als He­roi­ne des Be­schrei­bens. Ge­nau wie der markt­re­fle­xi­ve Künst­ler, er­liegt sie fast wil­lig den (schein­ba­ren) Rea­li­tä­ten, in dem sie die­se als Fa­tum de­fi­niert und durch ei­ne kru­de The­se über »Markt­re­fle­xi­vi­tät« auf­zu­wer­ten ver­sucht.

Auf der vor­letz­ten Sei­te traut dann der Le­ser sei­nen Au­gen nicht. Graws ei­ge­nes Ver­hält­nis zu Markt, Markt­ge­sche­hen und markt­erfolg­rei­chen Prak­ti­ken sei von Am­bi­va­lenz ge­prägt er­fah­ren wir da. Sie ste­he bestimmte[n] Ent­wick­lun­gen – et­wa dem…Siegeszug des Markt­er­folgs – ab­le­hend ge­gen­über und ver­fol­ge das Ge­sche­hen mit ei­ner Art schau­dern­der Be­gei­ste­rung. Sie nennt ih­re Stu­die plötz­lich »Fas­zi­na­ti­ons­ana­ly­se« und Form der Gesellschaftskritik…die Di­stanz zu den Ver­hält­nis­sen, in die sie gleich­sam ein­ge­bun­den ist, re­kla­miert, um die­sen Ver­hält­nis­sen aber auch fas­zi­niert zu­zu­schau­en und bei­zu­woh­nen.

Die­ser Spa­gat ist, mit Ver­laub, miss­lun­gen; die Keh­re un­glaub­wür­dig. Hier trifft das ein­fa­che Bild von je­man­dem, der den Ku­chen gleich­zei­tig es­sen und be­hal­ten woll­te. Was das Buch den­noch le­sens­wert macht, ist ei­ne Fül­le von De­tails, die dem in­ter­es­sier­ten Le­ser die Ge­ge­ben­hei­ten des Kunst­mark­tes deut­lich ma­chen. In über­bor­den­der po­li­ti­scher Kor­rekt­heit er­geht sich die Au­torin al­ler­dings lei­der in ein wah­res »In­nen-Ge­wit­ter«, was zu Satz­un­ge­tü­men wie Im Be­reich der bil­den­den Kün­ste sind es ge­wöhn­lich Kunsthistoriker/innen, Kritiker/innen oder Kurator/innen… oder Dar­auf, dass eine/ihre Ga­le­rie auch in schwie­ri­gen Zei­ten zu ihm/ihr hal­ten wird, kann sich mit­hin kein Künstler/keine Künst­le­rin mehr ver­las­sen führt (ach ja, auf Sei­te 40, vor­letz­te Zei­le, wur­de »Spezialist/innen« ver­ges­sen).


Die kur­siv ge­druck­ten Pas­sa­gen sind Zi­ta­te aus dem be­spro­che­nen Buch.

9 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. in­ter­es­siert ha­be ich so­eben ih­re re­zen­si­on ge­le­sen. als ‘pro­du­zent’ (be­schei­den: künst­ler) und ganz spon­tan wür­de ich sa­gen, es han­delt sich ein­mal mehr um ei­ne je­ner manch­mal un­säg­li­chen pe­ri­pher­schrif­ten, wel­che ich re­flex­ar­tig seit jah­ren bei­sei­te le­ge. da­mit mag un­recht ge­tan sein, viel­leicht ist es eben nur die un­säg­li­che ver­schwä­ge­rung zwi­schen den kunst­schaf­fen­den ei­ner­seits und der deu­ten­den zunft (kunst­hi­sto­ri­ker, ku­ra­to­ren etc.) an­de­rer­seits.

    sym­bol­wert und markt­wert sind aus mei­ner er­fah­rung und be­ob­ach­tung un­trenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den. je hö­her die prei­se stei­gen, um so mehr wird ge­tan, um eben­je­ne eben­dort zu hal­ten und zu eta­blie­ren. am spe­zi­fi­schen preis­ge­fü­ge für wer­ke ei­nes künst­lers hängt nicht al­lein die existenz/der wohl­stand des künst­lers selbst, son­dern ei­ne viel­zahl exi­sten­zen, die ihn/sie um­ge­ben (sammler/förderer/kunsthistoriker/rezensenten/kritiker etc.). da­her kann auch ab ei­nem ge­wis­sen ’ni­veau’ nicht mehr von der un­ab­hän­gig­keit des mark­tes die re­de sein, ge­schwei­ge denn von ‘qua­li­tät’ (aber das ist ein an­de­res the­ma).

    das ziel des künst­lers un­ter markt­aspek­ten muss sein, ei­ne ge­wis­se schwel­le der re­pu­ta­ti­on zu über­win­den. ist man erst ein­mal in wich­ti­gen samm­lun­gen ver­tre­ten, so wer­den wei­te­re wich­ti­ge samm­lun­gen in­ter­es­se zei­gen. aus sicht der ku­ra­to­ren: ha­be ich ei­nen künst­ler aus­ge­stellt, der spä­ter er­folg­reich ist, so steigt da­durch auch mein (markt)wert als ku­ra­tor. ins ab­sur­de lief die­se ent­wick­lung in den hälf­ti­gen neu­zi­ger jah­ren, als sich man­cher ga­le­rist als der wah­re und ei­gent­li­che künst­ler ver­kauf­te. auch heu­te noch wird man­che the­men­aus­stel­lung an­ge­kün­digt un­ter al­lei­ni­ger na­mens­nen­nung des ku­ra­tors.

    der ga­le­rist al­so als künst­ler, der kunst­hi­sto­ri­ker als künst­ler, der ku­ra­tor als künst­ler, der samm­ler als künst­ler. und manch künst­ler auf ein­mal als ku­ra­tor. die jagd al­ler auf den ti­tel des­je­ni­gen, der am ei­gent­lich­sten für den er­folg ei­nes kunst­wer­kes ver­ant­wort­lich zeich­net (in­cl. marktwert/symbolwert).

    in­so­fern dann doch lie­ber kei­ne bü­cher mehr. auf die­ser büh­ne hal­te ich die fi­gur des »künst­lers« selbst für die am mei­sten aut­ar­ke, kann die­ser sich doch – jen­seits al­ler märk­te – auf das ‘werk’ an sich zu­rück­zie­hen bzw. be­sin­nen. al­les an­de­re ist markt, zu­fall, spiel, geiz und ehr­geiz oder lau­ne. den ei­gent­li­chen wert, wer mag den schon ernst­haft be­ur­tei­len, über­haupt und heu­te?

    in mei­nem adress­ver­tei­ler be­fin­det sich üb­ri­gens seit jah­ren auch die au­torin des von ih­nen be­spro­che­nen bu­ches. sie hat fast je­de ein­la­dungs­kar­te zu aus­stel­lun­gen be­kom­men, mei­nen na­men müss­te sie da­her ken­nen. wer weiß, wenn nun ih­re be­deu­tung noch steigt, viel­leicht steigt ja dann auch die mei­ne? ;-)

    vie­le grü­ße,
    ihr schneck

    (uff, jetzt ists aber lang ge­wor­den...)

  2. Ihr Kom­men­tar fasst ziem­lich ge­nau gro­sse Tei­le des be­spro­chen­e­n­en Bu­ches zu­sam­men, wo­bei Frau Graw im­mer­hin mehr­fach auf ih­re »ge­fan­ge­ne« Po­si­ti­on hin­weist. Was mir in dem Buch es­sen­ti­ell fehlt, ist ei­ne Un­ter­su­chung des­sen, was Sie sehr schön »Schwel­le zur Re­pu­ta­ti­on« nen­nen. Hier­über schweigt sich die Au­torin aus. Denn es be­steht m. E. (ich ha­be kei­ne In­tim­kennt­nis­se) kein Zwei­fel dar­an, dass der-/die­je­ni­ge, die ein­mal im Boot sit­zen, im­mer drin­blei­ben.

    Auch, dass was Sie »Ni­veau des Mark­tes« nen­nen kommt nicht vor. Zwar be­klagt Graw, dass der künst­le­ri­sche Wert ei­nes Kunst­wer­kes (fast) nur noch auf­grund des Prei­ses vor­ge­nom­men wird – gleich­zei­tig ver­fällt sie in Fas­zi­na­ti­on ge­ra­de die­ses Phä­no­mens.

  3. Der Preis ei­nes Kunst­werks.
    Ich se­he im Zu­stan­de­kom­men des Prei­ses von Kunst­wer­ken, Par­al­le­len zu Samm­ler­stücken für die eben­falls hor­ren­de Sum­men be­zahlt wer­den: Ob für Wein, oder Brief­mar­ken, ist ei­gent­lich egal.

    Je­des Kunst­werk ist in den bil­den­den Kün­sten ein Ein­zel­stück, was – ganz im Ge­gen­teil – für Li­te­ra­tur, oder Mu­sik nicht zu­trifft. Letz­te­re sich re­pro­du­zier- und ver­breit­bar, als Ton­trä­ger, Bü­cher, di­gi­tal, als Le­sung und Kon­zert – oder man spielt selbst. Ein Ge­mäl­de, oder ei­ne Skulp­tur ist ein Ein­zel­stück, ein Ori­gi­nal, und be­sitzt des­halb schon ei­ne Vor­aus­set­zung für ei­nen ho­hen Preis: es ist li­mi­tiert. Wenn nun die Au­ra et­was Be­son­de­res zu sein (eben ein Kunst­werk) hin­zu­tritt, und es be­gehrt wird, steigt sein Preis.

    Ei­nen Wi­der­spruch zu ei­nem ideel­len Wert se­he ich in­so­fern nicht, da ihn der Preis nicht aus­drücken muss, oder nur ei­nem Teil aus­drückt. Oder an­ders: Mit den hor­ren­den Prei­se, hat der ideel­le Wert nichts zu schaf­fen.

  4. Die Sin­gu­la­ri­tät ei­nes Kunst­werks ist na­tür­lich ein wich­ti­ger Be­stand­teil zur Preis­bil­dung (Graw re­kur­riert hier­auf mehr­fach). Es gibt na­tür­lich auch Druck­tech­ni­ken, die li­mi­tier­te Ver­viel­fäl­ti­gun­gen er­lau­ben, aber das spielt letzt­lich kei­ne Rol­le, weil es ja mit ei­nem Buch oder ei­ner CD nicht ver­gleich­bar ist.

    Den­noch ist es in­ter­es­sant, war­um das Bild ei­nes zeit­ge­nös­si­schen Ma­lers A 200 Eu­ro ko­sten soll und von B viel­leicht 10.000 Eu­ro. Bei­de Ge­mäl­de gibt es nur ein­mal. Und wenn ich noch ein Ge­mäl­de von mir da­ne­ben stel­le, hat es viel­leicht ei­nen Wert von 5 Eu­ro (das wä­ren dann noch­nicht ein­n­mal die Ma­te­ri­al­ko­sten). Wo­her kom­men die­se Un­ter­schie­de?

    Sie sind letzt­lich an das ge­bun­den, was Graw (und an­de­re) als »Sym­bol­wert« be­zeich­nen. Da ist dann zu­nächst ein­mal der Na­me des Künst­lers wich­tig, sein bis­he­ri­ges Werk und – vor al­lem! – wer das kauft. Der Samm­ler spielt ei­ne sehr gro­sse Rol­le.

    Das Ver­dienst von Graws Buch ist, dass sie den in der Öf­fent­lich­keit häu­fig als kunst- und men­schen­freund­lich be­schrie­be­nen Samm­ler ein biss­chen de­kon­stru­iert. Es gibt sehr wohl Samm­ler, die im Lau­fe ih­rer »Samm­ler­exi­stenz« im­mer wie­der Tei­le ih­rer Samm­lung ver­kauft oder ver­lie­hen (ver­schenkt) ha­ben. In bei­den Fäl­len ver­su­chen sie, ei­nen Wert zu ge­ne­rie­ren. Beim plum­pen Ver­kauf ist das ein­deu­tig, bei der »Schen­kung« geht es um An­er­ken­nung (Schenkungen/»Dauerleihgaben« sind sel­ten voll­kom­men be­din­gungs­los).

    Letzt­lich geht es dar­um, wel­cher »Wert« ei­nem Kunst­werk zu­ge­wie­sen wird. Da­bei ist ent­schei­dend, wer die­se Zu­wei­sun­gen vor­nimmt. Die­se Struk­tu­ren wer­den im Buch ein biss­chen an­ge­kratzt, aber – lei­der – mehr auch nicht. Dies ver­mut­lich, weil die Au­torin aus ih­rer Fas­zi­na­ti­on für die­se Hy­pes kei­nen Hehl macht.

  5. Ich glau­be nicht, dass Kunst als »Mo­de« an­ge­se­hen wird, son­dern eher als wei­te­re Mög­lich­keit, Ge­win­ne zu ge­ne­rie­ren (bzw. Sta­tus). Bzgl. der Samm­ler möch­te Graw tat­säch­lich ein biss­chen am Image des Samm­lers als »Kunst­freund« krat­zen. Sie be­haup­tet nicht, dass es sol­che Samm­ler nicht gab und auch nicht, dass es sie nicht mehr gibt, aber sie gibt zu be­den­ken, dass vie­le ih­re Samm­lun­gen ir­gend­wann ver­kau­fen – und nicht, um da­mit Ver­lu­ste ein­zu­fah­ren. Auch die »le­bens­lan­gen Leih­ga­ben« sieht sie skep­tisch (im Te­nor ih­rer an­de­ren Af­fir­ma­ti­on des Be­triebs mei­nes Er­ach­tens zu skep­tisch).

    Sie be­klagt, dass der Preis des Kunst­werks gleich­zei­tig auch als Aus­weis für des­sen »Kunst« gilt. Al­so das ein teu­res Kunst­werk ein »bes­se­res« Kunst­werk ist, als ein gün­sti­ge­res. Gleich­zei­tig er­geht sie sich eben in der Fas­zi­na­ti­on die­ses Be­triebs, dem sie dann er­liegt.

    Man könn­te es mit den Best­sel­lern in der Li­te­ra­tur ver­glei­chen. Dass die­se Bü­cher stark ver­kauft sind, sagt rein gar nichts über de­ren (li­te­ra­ri­schen) »Wert« aus. Ge­nau das wird aber sehr häu­fig in der ober­fläch­li­chen me­dia­len Be­trach­tung gleich­ge­setzt.

  6. Dis­ku­tiert Graw ei­gent­lich ob der Markt Aus­wir­kung auf die Qua­li­tät von Kunst­wer­ken hat (über den »Markt­ver­wei­ge­rer« usw. hin­aus­ge­hend)? Auf die Li­te­ra­tur ge­münzt scheint man das durch­aus be­ur­tei­len zu kön­nen.

  7. Dis­ku­tiert Graw ei­gent­lich ob der Markt Aus­wir­kung auf die Qua­li­tät von Kunst­wer­ken hat
    Sie the­ma­ti­siert nur, dass in der Sze­ne im­mer mehr die künst­le­ri­sche Qua­li­tät ei­nes Kunst­werks nach sei­nem Preis be­ur­teilt wird. Kunst­wer­ke, die »teu­er« sind gel­ten auch un­ter Künst­lern plötz­lich als äs­the­tisch ge­lun­ge­ner als preis­wer­te­re. Das gilt ins­be­son­de­re für zeit­ge­nös­si­sche Künst­ler und Kunst­wer­ke.

    Das ein Künst­ler den Markt auf ei­nem ge­wis­sen Ge­biet »be­dient«, spricht sie nur sehr kur­so­risch an.