»Ins Hel­le, in den Tag«

Über den groß­ar­ti­gen Dich­ter Flor­jan Li­puš und sein fun­keln­des Sprach­kunst­werk »Bošt­jans Flug«

Florjan Lipuš: Boštjans Flug

Flor­jan Li­puš: Bošt­jans Flug

[...] Nur ganz kurz, zu Be­ginn, wird da schein­bar ei­ne Mär­chen­welt er­zählt. Ein Na­tur­idyll evo­ziert. Man wird in den (fik­ti­ven) Ort Te­sen ver­setzt und be­glei­tet ei­nen Jun­gen mit dem Na­men Bošt­jan bei Ge­hen über die We­ge des Wal­des. An der Kreu­zung zum auch tags­über dunk­len (dicht be­wal­de­ten) Ot­a­var­steig be­geg­net er ei­nes Ta­ges Li­na, die er schon durch den sonn­täg­li­chen Kirch­gang kennt und wird von ihr end­gül­tig ver­zau­bert:

Noch nie im Le­ben hat­te sich Bošt­jan so ge­fühlt, wie er sich in die­sen Au­gen­blicken zu füh­len be­gann, es schien, als grif­fe er mit der Hand in das Rä­der­werk die­ser gün­sti­gen Stun­de und bräch­te die Zeit zum Ste­hen, als hiel­te er die­sen Tag zu­rück und lö­ste ihn aus der Rei­he der an­de­ren. […] Von Mi­nu­te zu Mi­nu­te än­dert sich der Ort, nimmt die Schön­heit die­ses Ta­ges Ge­stalt an, oder es ist Li­na, von der, so­bald sie sich be­wegt, die Schön­heit Zug um Zug er­schaf­fen und ver­schwen­de­risch mit frei­en Ar­men aus­ge­schenkt wird, als wür­de die Hel­lig­keit an­schwel­len und sich ver­stär­ken, sich glän­zend von den Fel­sen er­gie­ßen.

Ein epi­pha­ni­scher Mo­ment: Er geht mit dem Mäd­chen ei­nen kur­zen Weg ge­mein­sam. Li­nas Schrit­te, die er­war­te­ten und über­li­ste­ten, an der dörf­li­chen Heu­che­lei vor­bei und durch die kirch­li­chen Folk­lo­re­wo­chen­en­de hin­durch ge­schmug­gel­ten, die knapp vor ihm ab­ge­dämpf­ten und nun ihm zu­ge­wand­ten, be­le­ben und be­gei­stern sei­ne ei­ge­nen.

Ver­zückt folgt man die­sem Paar über ei­ne Brücke hin­weg, berg­wärts, vor­bei an Ab­zwei­gun­gen zu Ge­höf­ten und ein­sa­men Bau­ern­häu­sern, die sich ge­gen die Macht der Wild­nis zur Wehr set­zen, oder sol­chen, die um­so mehr be­geh­ren, je mehr sie be­sit­zen, und sol­chen, die schon bes­ser wirt­schaf­ten konn­ten und nun nichts mehr zum Bei­ßen ha­ben. Die sicht­ba­re Arm­se­lig­keit der Men­schen wird noch wahr­ge­nom­men, aber gleich­zei­tig scheint sich al­les zu Ver­wan­deln, es fehlt nur noch, daß es heu­te aus hei­te­rem Him­mel zu blit­zen be­ginnt oder aus dem Loch im Fel­sen, wo das Was­ser her­vor­quillt, ein Sturm los­bricht. Sie kom­men an Bošt­jans ehe­ma­li­gem El­tern­haus vor­bei, ei­nem Haus, das kei­nen Wi­der­stand mehr lei­stet und dem Ver­fall aus­ge­lie­fert ist. Aber die­ser Ver­fall wird nicht als sol­cher er­zählt, son­dern als ei­ne Form von Hab­gier des Wal­des, ei­ner Rück­erobe­rung in ei­nem ar­cha­isch an­mu­ten­den Kampf der Na­tur mit dem Men­schen. [...]

–> Der gan­ze Es­say zu Flor­jan Li­puš bei Glanz und Elend