Die Kö­che der Erb­sen­sup­pe

»Welt­li­te­ra­tur« prangt auf der Ban­de­ro­le auf dem Buch als Zi­tat von Pe­ter Hand­ke. In des­sen Nach­wort fehlt die­ses Wort; es ist ein In­ter­view-Zi­tat. Es han­delt sich um Flor­jan Li­puš’ Ro­man »Bošt­jans Flug«. Und wie die Me­cha­nis­men im deutsch­spra­chi­gen Li­te­ra­tur­be­trieb funk­tio­nie­ren, kann man in die­sen Zei­ten wie­der ein­mal ge­nüss­lich se­hen. Da schreibt Mat­thi­as Wei­chelt ei­ne hym­ni­sche Be­spre­chung in der FAZ eben auf die­ses Buch (da die FAZ ge­gen Zi­ta­te aus ih­ren Be­spre­chun­gen klagt, gibt es hier kei­ne Links zu FAZ-Ar­ti­keln). Wei­chelt klagt am En­de, dass das Buch trotz »nam­haf­ter Für­spre­cher« un­be­kannt sei. Dies müs­se sich, so das Ur­teil, än­dern.

Dem ist na­tür­lich zu­zu­stim­men (und: Wei­chelts Be­spre­chung ist sehr gut). Klar ist aber: Erst durch die Ver­öf­fent­li­chung des Bu­ches im Suhr­kamp-Ver­lag er­reicht es die me­dia­le Prä­senz, die es li­te­ra­risch längst ver­dient hät­te. Das Buch exi­stiert seit sechs Jah­ren im Kla­gen­fur­ter Wie­ser Ver­lag. In der brä­si­gen Ar­ro­ganz des deut­schen Ger­ma­ni­sten­be­am­ten nann­te Jür­gen Bro­koff Wie­ser ei­nen »ent­le­ge­nen« Ver­lag. Und das ist na­tür­lich ab­schät­zig ge­meint.

Die klei­ne Epi­so­de zeigt: Wer in ei­nem als »ent­le­gen« ein­ge­schätz­ten Ver­lag pu­bli­ziert, kommt im deutsch­spra­chi­gen Feuil­le­ton nicht (ge­büh­rend) vor. Aber ein Groß­ver­lag al­lei­ne hilft auch nicht. Wich­tig ist dann auch noch, dass das Buch nicht zu den »Weg­lassern« ge­hört. Dies ist der Ver­lags­jar­gon für Bü­cher grö­ße­rer Ver­la­ge, die »neben­bei« lau­fen und nicht mit der an­son­sten üb­li­chen Ag­gres­si­vi­tät be­wor­ben wer­den. »Fei­gen­blät­ter« wä­re viel­leicht auch ein ad­äqua­ter Aus­druck.

Statt sich die­sen Bü­chern zu­zu­wen­den be­tä­ti­gen sich Feuil­le­ton­re­dak­teu­re (und auch freie Mit­ar­bei­ter, von de­nen es im­mer mehr gibt) all­zu oft als Buch­markt-ser­vi­le Rezensions­äffchen, die je­den Tin­ten­klecks von so­ge­nann­ten Groß­schrift­stel­lern un­ters Volk brin­gen. Ein biss­chen Al­ter­na­tiv-Ge­schreib­sel gibt es in den Li­te­ra­tur­bei­la­gen, aber die ge­ball­te Mas­se er­schlägt da den po­ten­ti­el­len Le­ser. So kon­zen­triert sich der »Buch­markt« auf ei­ne über­sicht­li­che Zahl von Neu­erschei­nun­gen, die von Ver­la­gen und dem Be­trieb in selt­sa­mer Sym­bio­se er­ko­ren wer­den. Da­her wer­den man­che Bü­cher –zig Mal be­spro­chen; an­de­re nicht. Statt den Le­sern ein Mehr-Gän­ge-Me­nü un­ter­schied­li­cher Va­ria­tio­nen vor­zu­be­rei­ten und zu prä­sen­tie­ren, wird die im­mer­glei­che (und mit der Zeit wäss­rig ge­wor­de­ne) Erb­sen­sup­pe vor­ge­setzt. Kein Feuil­le­ton lei­stet es sich ei­nen Wal­ser oder Ri­chard Ford ein­mal zu igno­rie­ren und statt­des­sen lie­ber li­te­ra­risch am­bi­tio­nier­te Bü­cher »ent­le­ge­ner« Pu­bli­zi­stik nach­zu­ge­hen.

Ich scheue mich nicht die­se Igno­ranz ei­nen Miss­brauch zu nen­nen. Es ist ein Miss­brauch des Pu­bli­kums, dem wert­vol­le neue Aspek­te der Li­te­ra­tur in­fol­ge re­dak­tio­nel­ler Ein­di­men­sio­na­li­tät vor­ent­hal­ten wer­den. Es ist ein Miss­brauch all de­rer, die sich in (schein­ba­rer) Ab­sei­tig­keit der Li­te­ra­tur ver­schrei­ben. Und letzt­lich ist es ein Miss­brauch der Macht der Re­dak­teu­re in ih­rer je­wei­li­gen Po­si­ti­on. Da­bei spie­len sich im­mer noch als Gate­kee­per auf, ha­ben sie sich längst ih­rem Schick­sal als sub­al­ter­ne Schreib­knech­te der Bran­che er­ge­ben. (Es muss be­tont wer­den, dass es na­tür­lich auch Aus­nah­men gibt.)

Aber gibt es da­zu Al­ter­na­ti­ven? Wie sieht es mit den Li­te­ra­tur­blogs und –fo­ren aus? Jo­han­nes Schnei­der soll­te da­zu wohl ei­nen Bei­trag schrei­ben. Er hat­te je­doch da­zu kei­ne gro­ße Lust, be­schäf­tig­te sich lie­ber mit ei­ner Blog­ge­rin und ist an­son­sten nicht fün­dig ge­wor­den. Der Ah­nungs­lo­sig­keit darf man ihn in »zeit­lon­line« aber nicht zei­hen; je­der miss­lie­bi­ge Kom­men­tar wird ent­fernt. So mei­ne und auch der von Bo­na­ven­tura. (Es ist ein all­ge­mei­nes Phä­no­men, dass ei­ne Dis­kus­si­on auf »zeit­on­line« nicht mehr zu füh­ren ist; da­ge­gen sind die Gate­kee­per bei der FAZ ein Mu­ster­bei­spiel von To­le­ranz.)

Die­se von Un­kennt­nis durch­drun­ge­nen Ela­bo­ra­te zei­gen die Furcht, die Deu­tungs­ho­heit mit­tel­fri­stig an ei­ne amor­phe Mas­se blog­gen­der En­thu­sia­sten zu ver­lie­ren. Statt auf die­se Si­tua­ti­on ge­büh­rend zu re­agie­ren, wird sie ge­leug­net. Weil die mei­sten Feuil­le­to­ni­sten längst ab­ge­klär­te und ab­ge­stumpf­te Le­se­ma­schi­nen ge­wor­den sind (falls sie über­haupt noch sel­ber le­sen), müs­sen sie jeg­li­cher Form des em­pha­ti­schen Zu­gangs zu Li­te­ra­tur mit Skep­sis be­geg­nen. Zu­neh­mend droht ih­nen die Mög­lich­keit ab­han­den zu kom­men, Le­ser zu be­gei­stern. Sie kön­nen sie höch­stens noch er­re­gen, in dem sie klei­ne und gro­ße Skan­da­le ent­decken oder not­falls noch sel­ber pro­du­zie­ren (Kracht bei­spiels­wei­se). Zu mehr reicht es lei­der mei­stens nicht mehr. (Und bei der Lek­tü­re über und um die Grup­pe 47 fra­ge ich mich: War es wirk­lich je­mals an­ders?)

10 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Dan­ke.
    Der ein­gech­ränk­te Ge­sichts­kreis fällt mir bei ei­ni­gen der ehe­mals »ton­an­ge­ben­den« Feuil­le­tons auch auf. Ich ver­mu­te da­hin­ter ei­nen Quo­ten-Me­cha­nis­mus: Be­ach­tet wird vor­ran­gig das, wo­für die Le­ser schon vor­ge­wärmt sind. Un­be­kann­te Au­toren, zu­mal aus klei­nen Ver­la­gen fal­len un­ter das Ver­dikt »un­se­re Le­ser in­ter­es­siert das nicht«. Die Li­te­ra­tur-Re­dak­teu­re han­deln so, weil sie längst in sich klei­ne Pro­dukt­ma­na­ger woh­nen ha­ben, die »Zah­len­ver­ant­wor­tung« spü­ren. Das ist ein Ab­wärts­wan­dern, das spe­zi­ell bei der ZEIT ein ein­deu­ti­ges Ziel hat – her­un­ter auf Il­lu­strier­ten­ni­veau. Das Feuil­le­ton läuft da­bei mE nicht nur am Gän­gel­band der Groß­ver­la­ge, son­dern auch am Gän­gel­band von TV und Po­pu­la­ri­tät. Das Meist­be­ach­te­te wird be­ach­tet – der Zir­kel der Igno­ranz kommt im­mer mehr in Schwung.
    Auch wenn es Prot­ago­ni­sten wie Mi­cha­el Krü­ger nicht se­hen kön­nen – das li­te­ra­ri­sche Le­ben at­met tie­fer und leb­haf­ter im Netz, wäh­rend ei­ni­ge der ehe­ma­li­gen Flagg­schif­fe in die gei­sti­ge Er­star­rung fal­len.

  2. Ent­we­der hat die­sen Ar­ti­kel nie­mand an­ders als der Au­tor ge­le­sen (er wä­re al­so zwei­mal durch die so­ge­nann­te »Qua­li­täts­kon­trol­le« ge­rutscht), oder, falls doch, muss er als drei­ster Ver­such von Lob­by­ing in ei­ge­ner Sa­che (oder der ei­ner ein­zel­nen Blog­ge­rin) ge­wer­tet wer­den. Die al­ler­letz­te Mög­lich­keit wä­re ihn als ein Zeug­nis von Rea­li­täts­ver­lust auf­zu­fas­sen.

    Ne­ben­bei zeigt das deut­lich, was man von vie­len Su­per­la­ti­ven zu hal­ten hat: Nichts.

    Und jam­mer­scha­de, dass auf ZEIT-on­line die Dis­kus­si­ons­kul­tur ab­han­den kommt, ich dach­te im­mer, das wä­re dort bes­ser.

  3. @Fritz
    Ja, »her­un­ter auf Il­lu­strier­ten­ni­veau«. Das ist es wohl. Lei­der.

    @metepsilonema
    Wo­mög­lich ist es noch schlim­mer: Der Ar­ti­kel stand ur­sprüng­lich im »Ta­ges­spie­gel«. Die Re­dak­tio­nen tau­schen ja ih­re Ar­ti­kel aus (mei­stens geht es vom TS zur ZEIT). Dann stand er dort. Qua­li­täts­kon­trol­le: null.

    The­men, die kei­nen Di­stink­ti­ons­ge­winn ver­spre­chen, wer­den eben nicht mit der ent­spre­chen­den Sorg­falt be­han­delt.

  4. Da in dem Ar­ti­kel von ei­ner Blog­ge­rin auf die gan­ze nicht oder nur teil­vor­han­de­ne deutsch­spra­chi­ge Li­te­ra­tur­blogo­sphä­re ex­tra­po­liert wird, war doch aber auch kein dif­fe­ren­zier­ter Ab­riss oder ei­ne Ver­mes­sung zu er­war­ten, oder? Biss’n ge­bloggt hat der Au­tor doch auch ( http://superdemokraticos.com/author/jo/ ), was kann er denn jetzt da­für, dass er für Zei­tun­gen re­ak­tio­när ( http://www.tagesspiegel.de/medien/alte-und-neue-medien-achtung-dieser-text-ist-reaktionaer/7195728.html ) wird und über Möp­se schrei­ben muss? Der schreibt halt ma’ en biss­chen flap­sig.
    Da trä­fe der er­ste Kom­men­tar un­ter der Zeit­zweit­ver­wer­tung eben auch: Der Ton­fall ist den­noch eher ty­pisch für ei­nen Blog­ger und ger­ne auch mal fla[p]psig. (Das ist nun ein flap­si­ger Kom­men­tar mei­ner­seits.)

    Was mich im­mer noch ir­ri­tiert: dass die Bar­rie­ren in den Köp­fen blei­ben. Der ei­ne Satz von dem Zeit­kom­men­ta­tor deu­tet ja doch an: Blog­ger sind ty­pi­scher­wei­se nicht se­ri­ös oder nicht ernst zu­neh­men. Aber kann man sich dar­über noch ent­rü­sten? Könn­te man nicht ir­gend­wann die Per­spek­ti­ve ei­nes Be­ob­ach­ters zwei­ter Ord­nung ein­neh­men, um die Me­cha­nis­men der ei­ge­ne Pro­test­re­ak­ti­on zu er­fas­sen mit ih­rem po­la­ri­sie­ren­dem »wir« und »die«.

    Ein Pro­blem, das ich se­he, ist schon über­haupt in dem An­sin­nen ent­hal­ten, ein zu­ver­läs­si­ges Ge­samt­ur­teil die­ser Li­te­ra­tur­blog­welt fäl­len zu wol­len. Auch wenn ich mich in die­ser ger­ne und viel dar­in be­we­ge, so müss­te ich mich als in­kom­pe­tent be­zeich­nen, da ich nur mei­ne klei­ne Ni­sche ken­ne, mit In­sti­tu­tio­nen wie dem »Be­gleit­schrei­ben« oder die »Dschun­gel«, die nun ge­wis­ser­ma­ßen in mei­nen Kopf hin­ein­ge­wach­sen sind und mein Bild der­sel­ben be­stim­men. (‘S ist mit den Blogs schon was zer­fa­ser­ter und post­mo­dern-kon­struk­ti­vi­sti­scher ge­wor­den?)

    PS. Un­ter dem Ta­ges­spie­gel-Ar­ti­kel heißt’s nun der Au­tor ha­be sei­ne Aus­sa­ge et­was ab­ge­schwächt.

  5. @Phorkyas
    Fin­den Sie nicht, dass mit sol­chen Schreib­skla­ven we­ni­ger nach­sich­tig um­ge­hen müss­te? Ei­ner­seits. An­de­rer­seits er­in­nert mich dann Ihr Kom­men­tar auch an das Bon­mot, man sol­le so­was noch nicht ein­mal igno­rie­ren.

    Es geht aber nicht dar­um, dass das An­sin­nen die Lit­blog-Welt in ir­gend­ei­ner Form dar­zu­stel­len, un­mög­lich ist. Das ist ge­schenkt. Es geht ums Ge­gen­teil: Der Be­haup­tung, es gä­be so­was nicht. Das ist nicht mehr fahr­läs­sig, son­dern schlicht­weg dumm. Um auch wenn der Au­tor fi­xiert auf die Blog­ge­rin ist, darf er die nicht da­durch er­hö­hen, in­dem er an­de­res schlicht­weg leug­net.

    Die ent­schei­den­de Fra­ge ist ja Kann man sich dar­über noch ent­rü­sten? Darf ich es et­was mo­di­fi­zie­ren: Soll­te man sei­ne Zeit nicht bes­ser ver­wen­den, als sich dar­über zu ent­rü­sten? (Ich über­le­ge ge­ra­de, ob das mit der »Zeit« ein Wort­spiel ist.) Ich ha­be es ja längst auf­ge­ge­ben all die zahl­rei­chen Schreib‑, Sta­ti­stik- und Schluss­fol­ge­rungs­feh­ler bei »Bild«, die dann im »Bild­blog« mit schö­ner Re­gel­mä­ssig­keit auf­ge­spiesst wer­den, nach­zu­le­sen und mich dar­über zu em­pö­ren. Man braucht viel­leicht ir­gend­wann so et­was wie Ab­stand, Di­stanz. Was bringt es, zum ge­fühl­ten 74. Mal den »EUGH«-Fehler zu the­ma­ti­sie­ren? Und braucht man nicht ei­nen Geg­ner, der min­de­stens sa­tis­fak­ti­ons­fä­hig ist? (Und so je­mand wie Schnei­der ist mei­len­weit da­von ent­fernt.)

    In ei­nem an­de­ren Blog ha­be ich ge­le­sen, die Sze­ne (oder stand da et­was »Netz­ge­mein­de«?) re­agie­re wie er­war­tet: hy­ste­risch (das stand da so nicht, aber wur­de sug­ge­riert). Es gibt Leu­te, die for­dern »äs­the­ti­sche The­men­schwer­punk­te«, al­so ei­ne Ein­engung all des­sen, was Di­ver­si­fi­zie­rung aus­macht. Da ist deut­lich les­bar: man kennt nur Blüm­chen­blogs. Und ist nicht be­reit, sel­ber et­was da­zu bei­zu­tra­gen.

    Al­so: In Zu­kunft we­ni­ger Auf­re­gung! An­ge­kom­men.

  6. @Keuschnig: Nun die Re­ak­ti­on war schon an­ge­mes­sen. Wie soll man auch re­agie­ren, wenn ei­nem die Exi­stenz ab­ge­spro­chen wird. Das woll­te ich nicht als hy­ste­risch an­krei­den. Wenn ich et­was da­ge­gen set­zen woll­te, dann le­dig­lich die An­re­gung, viel­leicht die Ge­gen­re­ak­ti­on oder die Fra­gen et­was zu va­ri­ie­ren. Auch wenn es an­schei­nend im­mer noch not­wen­dig ist, je­man­dem, der be­haup­tet Literatur(-kritik) fin­de im Netz nicht statt, mit ei­ner gan­zen Auf­zäh­lung zu ant­wor­ten, um so die In­kom­pe­tenz des Schrei­ben­den un­ter Be­weis zu stel­len.
    War­um, fra­ge ich mich doch, ist in vie­len Köp­fen und durch­aus auch bei vie­len, die selbst blogg(t)en, die Vor­stel­lung so tief ver­an­kert, Blogs sei­en un­se­ri­ös und flap­sig, so dass, wenn es um ern­ste The­men wie Li­te­ra­tu­re und tie­fe­re Ana­ly­se ge­he, man dort schlecht be­ra­ten sei. [So ähn­lich doch wahr­schein­lich das Denk­mu­ster?]

    Ein Satz in dem Ar­ti­kel wie »[l]angsam scheint sich die Sze­ne nun zu be­le­ben« er­zeugt na­tür­lich schon ei­ne gu­te Fall­hö­he, sug­ge­riert er doch das Ken­nen der »Sze­ne« so­wie das Mit­er­le­ben die­ses Auf­bruchs, den der Text nur kon­stru­iert. Dies zeigt so im Klei­nen viel­leicht die Bau­art ei­nes Zei­tungs- und auch der mei­sten Blog­tex­te: das Ge­fühl, ei­ne The­se, die man dann ein biss­chen mit »Fak­ten« oder Zeu­gen­aus­sa­gen um­klebt, bis es als Gan­zes die Aus­gangs­the­se wie in Stein ge­mei­ßelt er­schei­nen lässt. Dumm nur der Le­ser hiel­te es für Rea­li­tät?

    PS. In Ih­rem Aus­gangs­text hat­ten Sie ja auch ei­ne gu­te Sal­ve ge­gen das Feuil­le­ton ab­ge­schos­sen. So sehr ich da­mit sym­pa­thi­sie­re, dass nicht sei­ten­wei­se, wo­chen­lang über ir­gend­wel­che Skan­däl­chen (He­ge­mann, Kracht..) be­rich­tet wird, die auch noch arg kon­stru­iert sich aus­neh­men, so se­he ich da doch auch ein biss­chen den »Fak­tor Mensch«. Nicht so sehr dar­in, dass da der Bou­le­vard hin­durch­schim­mert und man dem Im­puls nach­geht et­was Schlüpf­rig-Skan­da­lös-Un­ter­halt­sa­mes über die »Pro­mi­nenz« zu er­fah­ren, son­dern ein­fach im Sin­ne der Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie: Durch die zig­tau­send Neu­erschei­nun­gen blickt ein­fach kei­ner mehr durch.. und es in­ter­es­siert die mei­sten, doch das was auch die an­de­ren in­ter­es­siert, das ist doch die ein­fach­ste, wenn auch nicht ver­läss­lich­ste, Art der Ori­en­tie­rung. (In ei­nem Vi­deo­aus­schnitt, wo ei­ne Frau ge­fragt wur­de, war­um sie schon über ei­nen Tag in ei­ner Schlan­ge ste­he, um das Ipho­ne 5 zu kau­fen, kam nur her­aus, sie war­te da, weil all die an­de­ren da doch auch auf ein tol­les Pro­dukt war­te­ten, das sie im Üb­ri­gen gar nicht kann­te.)

    Ein Ra­bow­ski wird da­bei lei­der nicht zum Na­tio­nal­dich­ter – aber ich freue mich auf die neue Lek­tü­re (und auch da­nach auf Ih­re Re­zen­si­on!)

  7. Das Pro­blem ist ja, dass vie­le Blogs (und wo­mög­lich die­ser auch) die Skan­da­li­sie­run­gen der Main­stream­m­e­di­en fort- oder so­gar noch hö­her­schrei­ben. Denn auch sie brau­chen die Do­sis Auf­merk­sam­keit, oh­ne die heut­zu­ta­ge al­les Nichts ist. Dar­un­ter lei­det dann Se­rio­si­tät und Tie­fe, al­so das, was man ge­mein­hin Qua­li­tät nen­nen könn­te. Ich glau­be, dass Re­dak­tio­nen Blogs Un­se­rio­si­tät at­te­stie­ren hat da­mit zu tun, dass sie sich durch Blogs ge­zwun­gen se­hen, an­ders zu schrei­ben und an­de­re The­men zu set­zen. Im Zwei­fel wird das dann erst ein­mal de­nun­ziert. Die At­ti­tü­de der Vier­ten Ge­walt, die­se per­fi­de An­ma­ßung, wird be­fragt durch den »Pö­bel« (der ja manch­mal wirk­lich wie ei­ner wirkt – das soll­te man nicht ver­schwei­gen). In Re­dak­tio­nen ist das längst er­nüch­ternd zur Kennt­nis ge­nom­men wor­den. Und das Schrei­ben ei­nes Bei­tra­ges über Li­te­ra­tur­blogs ist da­bei ähn­lich at­trak­tiv wie frü­her un­ter Vo­lon­ta­ri­an­ten der Be­richt über das Ju­bi­lä­um des lo­ka­len Ka­nin­chen­zü­cher­ver­eins.

    Und da­her soll­te man sich mit sol­chen Ar­ti­kel nicht mehr aus­ein­an­der­set­zen. Es sind Äu­ße­run­gen, die nicht auf Dis­kurs an­ge­legt sind. Je­de Em­pö­rung wer­tet so­was dann nur noch un­nö­tig auf (in­klu­si­ve der Zen­sur-Schnö­sel im zeit­on­line-Fo­rum).

  8. Hm, aber muss man nicht doch, hin und wie­der zu­min­dest, et­was sa­gen, auf­zei­gen, schrei­ben, am be­sten meist un­auf­ge­regt und sach­lich, denn sol­che Ar­ti­kel wer­den ge­le­sen, und un­ter Um­stän­den glaubt das manch ei­ner und rich­tet sein Tun und Han­deln da­nach?

  9. Ich glau­be eben nicht, dass die Ar­ti­kel von de­nen ge­le­sen wer­den, an die sie sich rich­ten. Die Wel­ten blei­ben her­me­tisch – was ja der Au­tor be­weist. Und er wird auch die Re­pli­ken auf an­de­ren Blogs nicht le­sen, weil sie ihn nicht in­ter­es­sie­ren. Mei­ne Über­le­gung geht da­hin, dass man die­ses Des­in­ter­es­se nicht mehr be­ant­wor­ten und so­mit fast noch auf­wer­ten muss. Es kommt mir vor, als stamp­fe man wie ein trot­zi­ges Kind mit dem Fuss auf, das noch sei­nen zwei­ten Nach­tisch will. Es ist ver­lo­re­ne Zeit – man er­reicht die­se Leu­te nicht, weil sie sich nicht er­rei­chen las­sen wol­len.

  10. @Gregor
    Ich dach­te an den, so­zu­sa­gen, durch­schnitt­li­chen und in­ter­es­sier­ten Zei­tungs­le­ser, auch an mich selbst, die wir tag­täg­lich Ar­ti­kel über The­men le­sen, über die wir we­nig be­scheid wis­sen und letzt­lich (auch man­gels Zeit) glau­ben müs­sen was ge­schrie­ben steht — ich fin­de An­mer­kun­gen an­de­rer dann sehr hilf­reich.